Worum es geht
Praxismanagement-Betriebsvergleiche zeigen, dass die Organisation ein erheblichen Schwachpunkt des Praxismanagements bei Kinder- und Jugendärzten ist. Mit einem 10-Punkte-Katalog lässt sich diese Situation positiv verändern.
Was Eltern sagen: 3 Beispiele
- „Die Ärzte sind ganz nett und machen auf mich auch einen fachlich kompetenten Eindruck, allerdings ist die Praxisorganisation recht gruselig. Offensichtlich nur eine Telefonleitung für 2 Ärzte, Resultat: man braucht jedesmal mehrere Anruf-Versuche um durchzukommen. Wartezeiten ohne Ende, erst im Wartezimmer (gemeinsam mit vielen kranken Kindern in einem Raum!) und dann nochmal im Behandlungszimmer. Für die U5 habe ich so 2 Stunden (!) in der Praxis verbracht. Der Hinweis, man solle vor dem Termin nochmals anrufen, um abzuklären, ob der Termin auch pünktlich stattfindet, wirkt auf mich aufgrund der Telefonproblematik etwas höhnisch.“
- „Wenn man erst mal bei der Ärztin ist, kann man sich nicht beklagen, aber die Wartezeiten trotz Termin und die Erreichbarkeit am Telefon sind eine Katastrophe. Eine andere Praxisorganisation ist dringend zu empfehlen, um den Patienten nicht so viel Zeit zu klauen. Und gesünder wird man in Arztpraxen voller kranker Kinder bekanntlich auch nicht.“
- „Ich bin mit dieser Kinderarzt-Praxis absolut unzufrieden! Immer mehr als eine Stunde Wartezeiten und ein Wartezimmer voll von kranken Kindern, da bringen wir immer irgendein Infekt mit nach Hause.“
Checkliste: Der 10 Punkte-Katalog zur Organisations-Optimierung
Die folgenden praxisbewährten Regelungen helfen, die „Schwachstelle Praxisorganisation“ in pädiatrischen Praxen in den Griff zu bekommen:
Für alle planbaren Untersuchungen Termine vereinbaren
Termine für kalkulierbare Aktivitäten (Vorsorge, Impfungen, Sport-, Kindergarten- und Hortuntersuchungen etc.) vermeiden lange Wartezeiten für die Patienten, strukturieren den Arbeitsablauf für das Praxisteam und helfen, gesunde von kranken Patienten besser zu trennen, da diese unterschiedliche Betreuungsformen benötigen. Wichtig: zwischen den Terminen müssen ausreichende Pufferzeiten eingeplant werden, um die Flexibilität bei Unvorhergesehenem sicherzustellen.
Immer mehr Kinder- und Jugendärzte gehen zudem dazu über, Online-Terminvereinbarungen für Vorsorgetermine anzubieten. Wichtig: es sollte ein Planungszeitraum von zwei bis drei Wochen im Voraus vorgegeben werden, ergänzt um den Hinweis, dass bei nicht erfüllbaren Terminwünschen eine telefonische Abstimmung erfolgt.
Bei telefonischer Terminvereinbarung den Zeitbedarf kalkulieren
Für viele Untersuchungen und Behandlungen ergeben sich aus der Arbeitsroutine Standardzeiten, die bei der Terminvereinbarung gleich in der Planung berücksichtigt werden können. Über eine entsprechende Schulung und Absprache mit dem Personal lässt sich so eine perspektivische Auslastungsplanung erstellen.
Grundsätzlich sollten absehbar länger dauernde Beratungen oder Untersuchungen auf die späteren Sprechstunden-Randzeiten gelegt werden.
Sicherstellung der telefonischen Erreichbarkeit
Das Praxistelefon ist nicht nur ein Kommunikations-, sondern vor allem ein Organisations-Instrument, das seinen Zweck nur dann adäquat erfüllen kann, wenn es professionell eingesetzt wird. Hierzu zählen sowohl die Einrichtung des Praxistelefons als eigenständiger Arbeitsplatz als auch die Schulung des Personals im richtigen Telefonverhalten.
Akutsprechstunde ohne Termin
Für akut erkrankte Kinder und Jugendliche sollte eine
Sprechstunde eingerichtet werden, z. B. täglich von 08:00 Uhr bis 09:00 Uhr oder in Anschluss an die Mittagspause von 14:00 Uhr bis 15:00 Uhr, die ohne Termin in Anspruch genommen werden kann. Außerhalb der offenen Sprechstunde werden unangemeldete Patienten nur in Ausnahmefällen (Notfall) oder nach vorheriger telefonischer Absprache behandelt. Wichtig: das gesamte Praxisteam muss derartige Regelungen konsequent einheitlich umsetzen, damit das Terminsystem sowohl für die Praxis als auch für die Patienten vorteilhaft funktioniert. Dazu gehört auch, dass alle Versuche, die Regelungen zu umgehen, freundlich aber bestimmt und nutzenorientiert („…vereinbaren Sie am besten einen Termin, dann ist auch gewährleistet, dass Frau / Herr Doktor sich die für Ihr Kind notwendige Zeit nehmen kann…“) ausgeschlossen werden.
Praxisorganisatorische Regelungen veröffentlichen
Organisatorische Vorkehrungen können nur greifen, wenn sie bekannt sind. Deshalb gehören die organisatorischen Hinweise als fester Bestandteil in die Praxisbroschüre und auf die Homepage.
Terminplanung und -sicherung per Recall
Mithilfe eines Recall-Systems können Eltern an Untersuchungen, Checks oder andere Termine erinnert werden. Recalls können – auf der Grundlage einer schriftlichen Zustimmung der Eltern – per Brief erfolgen. Weitaus kostengünstiger und flexibler ist es jedoch, das Telefon oder SMS- bzw. E-Mail-Benachrichtigungen zu verwenden:
- Die telefonische Erinnerung bietet den größten Nutzen, da man persönlich mit den zu Erinnernden spricht. So wird es möglich, direkt und individuell auf die Situation jedes einzelnen eingehen, z. B. bei der Festlegung des Termins. Voraussetzung für eine unaufwändige Abwicklung ist, dass man bereits bei der schriftlichen Einwilligung nach Tageszeiten fragt, an denen die Eltern am besten erreichbar sind.
- Recall-Nachrichten per SMS können auf Mobiltelefonen erstellt werden, schneller und einfacher funktionieren aber SMS-Programme für den PC. Hier ist der Schreibaufwand deutlich geringer und die Nachrichten sind besser archivierbar. Den Eltern sollte bei dieser Recall-Form direkt ein Termin angeboten werden, verbunden mit der Bitte um Rückbestätigung bzw. um einen Anruf, falls der vorgeschlagene Termin nicht passt.
- Recall-E-Mails bieten darüber hinaus die Möglichkeit, auch längere Texte und Informationen über die Praxis an die Eltern zu verschicken. Auch hier gilt, einen konkreten Termin vorzuschlagen und um eine Rückmeldung zu bitten.
Kuscheltiere als Wartezeit-Verkürzer
Warten stellt nicht nur die Geduld von Eltern, sondern auch die von Kindern und Jugendlichen auf die Probe. Ein striktes Terminsystem hilft, die Wartezeit äußerst gering zu halten. Diese objektive Tatsache kann jedoch durch das subjektive Empfinden der Wartenden überlagert werden, wenn im Wartezimmer eine hektisch-laute Atmosphäre herrscht. Beruhigung schaffen Ablenkungsmöglichkeiten in Form von Spielzeug (genügend, intakt, sauber und für alle Altersgruppen der Praxis), aber vor allem auch mitgebrachte Teddybären und andere Kuscheltiere. Deshalb sollten die Eltern bei der Terminvereinbarung unbedingt an die Mitnahme dieser „Gefährten“ erinnert werden.
Neugeborene sollten nicht erst in das Wartezimmer müssen, sondern nach Möglichkeit direkt in einen Untersuchungs- / Behandlungsraum.
Separate Wartezone für ansteckende Krankheiten
Eine raumorganisatorische Vorkehrung sollte in der Einrichtung eines Wartebereichs für Patienten mit ansteckenden Krankheiten bestehen (soweit diese den Eltern im Vorfeld bekannt sind).
Wiederholungsrezepte und Überweisungen
Ein bewährtes Organisationsprinzip ist, diese Unterlagen telefonisch oder per E-Mail vorbestellen zu lassen. Die Abholung kann dann ohne Wartezeit und ohne Beeinträchtigung des Praxisbetriebs persönlich erfolgen, bei Bedarf kann in Einzelfällen auch eine postalische Zustellung angeboten werden.
Organisationsanalysen in Eigenregie
Grundlage jeder Organisations-Planung ist eine möglichst genaue Analyse der Abläufe. Hierfür wird i. d. R. keine externe Hilfe benötigt. Vielmehr können alle benötigten Angaben in Eigenregie ermittelt werden. Die Umsetzung erfolgt am einfachsten mithilfe eines Patienten-Laufzettels, auf dem alle Arbeiten für die Dauer eines Zeitraums (Woche, Monat) nach Art, Dauer und Verantwortlichem / Ausführendem dokumentiert werden. Diese Datenbasis liefert ein Abbild der Arbeitsprozesse, die dann optimiert werden können, denn durch die Zusammenführung aller Daten entsteht ein mehrdimensionales Abbild der Praxis-Arbeitsabläufe. Hieraus wird u.a. nicht nur erkennbar, wie lange Patientenkontakte nach Krankheitsbildern und Untersuchungsformen dauern und aus welchen Komponenten sich die Aufenthaltszeit der Patienten zusammensetzt, sondern auch z. B., ob die Arbeitsabläufe optimal koordiniert sind. So lassen sich Aufbau- und Ablauforganisation, Bestellsystem und ärztliches Zeitmanagement mit der Patientenstruktur überprüfen und synchronisieren.
Es ist empfehlenswert, eine solche Untersuchung einmal jährlich vorzunehmen, um auf diese Weise die Effizienz des Arbeitsflusses zu erhöhen, denn erfahrungsgemäß schleichen sich immer wieder Verhaltensweisen und Regelungen ein, die den Fluss hemmen, ohne dass es von den Beteiligten registriert wird.
Ein anderer Weg besteht darin, die Anzahl der Patienten pro Stunde zu bestimmen. Hierzu wird die Zeit, die für die Patienten benötigt wird, gestoppt. Dabei wird pro Patienten die Zeit, die er an den einzelnen Stationen seines Praxisaufenthaltes verbringt, begonnen bei der Wartezeit am Empfang bis zum Verlassen der Praxis, bestimmt. Über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen umgesetzt, können ein Durchschnittswert für alle und Mittelwerte für verschiedene Patientengruppen und Betreuungsarten bestimmt werden. Zudem erhält man einen Einblick in die Akuttermin-Verteilung und -dauer. Die auf diese Weise festgestellten Zeiten dienen als Basis für die Organisationsplanung und Arbeits-Rhythmisierung.
Information zur Datenbasis für die Beiträge der Serie „UP! Ungenutzte Potenziale im Gesundheitswesen“
Grundlage der im Beitrag vermittelten Informationen sind die validierten und repräsentativen Management-Betriebsvergleiche unseres Instituts. Dienen derartige Untersuchungen normalerweise einer Einordnung der wirtschaftlichen Situation von Arztpraxen, bietet ein Management-Betriebsvergleich die Möglichkeit, Art, Intensität und Effekte der Praxisführung den repräsentativen Gegebenheiten der zugehörigen Fachgruppe sowie dem Best Practice-Standard gegenüberzustellen, d. h. denjenigen Regelungen, Instrumenten und Verhaltensweisen, die eine reibungslos funktionierende Praxistätigkeit gewährleisten.
Dadurch werden Stärken, Schwächen, Bedrohungen und Chancen der täglichen Arbeit identifiziert. Im Mittel liefert ein Praxismanagement-Betriebsvergleich PraxisinhaberInnen 40 bislang ungenutzte Ansätze zur Optimierung der Praxisführung.