Rethinking: Beratung im Blindflug – Warum deine Coach-Wahl reines Glücksspiel ist

Ein Markt voller Wahrheiten, die sich gegenseitig zerstören

Du glaubst, wenn du einen Coach oder Berater buchst, kaufst du Expertise?
Falsch.
Du kaufst eine Erzählung. Eine Positionierung. Ein schön verpacktes Glaubenssystem – und das kann in direktem Widerspruch zu einer anderen Erzählung stehen, die ebenfalls behauptet, „die einzige funktionierende Lösung“ zu sein.

Im Hochdruckkessel des Beratungs- und Coachingmarktes herrscht ein Gesetz, das stärker ist als jede Fachlichkeit: Wer nicht polarisiert, verschwindet.
Der Effekt? Lösungen werden nicht entwickelt, weil sie evidenzbasiert sind, sondern weil sie abweichend genug klingen, um verkaufbar zu sein.
Das ist keine stille Randerscheinung – das ist die Mechanik, die alles antreibt.

Der Positionierungszwang: Wenn Differenzierung wichtiger ist als Wahrheit

Im Kern der Misere liegt ein einfacher Mechanismus:
Je voller der Markt, desto lauter muss man schreien. Je lauter man schreit, desto extremer muss die Botschaft klingen.
Die Wahrheit? Die erstickt dabei.

Du siehst es an den radikalen Gegensätzen:
– Coach A predigt: „Erfolg kommt nur durch knallharte Disziplin.“
– Coach B verkauft: „Erfolg entsteht nur durch Leichtigkeit und Loslassen.“
Beide adressieren dasselbe Problem – Burnout, Leistungseinbruch, Ziellosigkeit – und liefern diametral entgegengesetzte „Lösungen“.

Und weil Positionierung im Marketing-Lehrbuch nicht „Halte dich an Fakten“ bedeutet, sondern „Mach dich unterscheidbar“, wird die Widersprüchlichkeit nicht als Mangel gesehen, sondern als Feature.
Provokant sein bringt Klicks. Kontrast erzeugt Buchungen.
Deine Wahrheit als Kunde? Sekundär.

Wenn Beratung zur Marketing-Karikatur wird

Was heute als „unverwechselbare Positionierung“ verkauft wird, ist oft nichts anderes als erfundene Absolutheit.
Die Methoden dahinter sind selten radikal neu, oft nur umetikettiert.
Die einen recyceln alte Konzepte mit einem hippen Schlagwort.
Die anderen ziehen aus dem Nichts eine angebliche „Methode“ hoch, die in keinem realen Praxistest Bestand hätte – Hauptsache, sie klingt wie ein Durchbruch.

Das Resultat: Ein Beratungsmarkt, in dem du als Kunde nicht zwischen „funktioniert“ und „funktioniert nicht“ wählst, sondern zwischen „welche Story gefällt dir besser“.
Es ist kein Wissensmarkt.
Es ist ein Schönwetter-Theater, in dem Berater*innen auf der Bühne konkurrieren, wer den charismatischeren Mythos erzählt.

Die Illusion der Wahl – und der Zufallsfaktor

Für dich als Kunde bedeutet das: Deine Entscheidung basiert selten auf der tatsächlichen Eignung einer Methode.
Du kannst sie vorab kaum prüfen. Du siehst die Inszenierung, die Versprechen, die Testimonials (die oft aus dem eigenen Netzwerk stammen).
Du hörst die polierte Sprache, die Sicherheit suggeriert.

Und dann setzt du dein Geld – im übertragenen Sinne – auf Rot oder Schwarz.
Manchmal gewinnst du.
Manchmal verlierst du.

Das hat nichts mit deinem Urteilsvermögen zu tun – sondern mit einem strukturellen Problem:
Ein Markt, in dem Erfolg am lautesten Schreien hängt, produziert notwendigerweise widersprüchliche „Wahrheiten“, von denen immer nur ein Bruchteil überhaupt haltbar ist.

Die Psychologie hinter dem Chaos

Warum lassen sich so viele darauf ein?
Weil wir als Kunden auf narrative Kohärenz reagieren, nicht auf inhaltliche Validität.
Ein Berater, der überzeugt auftritt, eine klare Linie zeichnet und einfache Ursache-Wirkungs-Ketten anbietet, wirkt glaubwürdig – selbst wenn sein Ansatz empirisch absurd ist.

Dazu kommt die tiefe, fast religiöse Sehnsucht nach der Methode, die „endlich funktioniert“. Diese Erwartung öffnet Tür und Tor für all jene, die nur einen ausreichend eingängigen Satz brauchen, um dich emotional einzukassieren.

Wenn „Gegensatz“ das eigentliche Verkaufsargument ist

Der härteste Punkt:
Viele Berater und Coaches wissen ganz genau, dass ihr Ansatz nicht die einzige Wahrheit ist – sie konstruieren die Exklusivität absichtlich.
Warum? Weil der härteste Verkaufstrick im überfüllten Markt der absolute Gegensatz ist.
„Alles, was du bisher gelernt hast, ist falsch – nur mein Ansatz ist richtig.“
Das ist kein fachlicher Befund.
Das ist Markttechnik.

Warum es am Ende nicht um die Methode geht

Hier die bittere Erkenntnis:
Ob ein Berater dir hilft, hängt oft weniger von seiner Methode ab als von deiner Fähigkeit, mit dieser Methode überhaupt zu arbeiten.
Die „richtige“ Lösung existiert nicht als fixierte Wahrheit – sie existiert nur im Zusammenspiel von Kontext, Persönlichkeit und Timing.

Das Problem:
Der Markt erzählt dir nicht, dass du diesen Kontext selbst prüfen musst.
Er verkauft dir stattdessen den Eindruck, du hättest gerade die eine perfekte Lösung gefunden – bis du im nächsten Werbevideo das exakte Gegenteil hörst und plötzlich zweifelst.

Das Glücksspiel hat System

Wenn du in einen überfüllten, wettbewerbsgetriebenen Markt gehst, in dem Differenzierung wichtiger ist als Validität, ist Widerspruch unausweichlich.
Und weil du als Kunde in der Regel keine Möglichkeit hast, die tatsächliche Wirksamkeit vorab zu verifizieren, entscheidest du anhand sekundärer Kriterien: Sympathie, Rhetorik, Inszenierung.
Das ist exakt der Mechanismus eines Glücksspiels:
– Du wählst einen Einsatz (Zeit, Geld, Aufmerksamkeit)
– Du setzt auf eine Option, die attraktiv wirkt
– Das Ergebnis ist unsicher und nicht von deiner Kontrolle abhängig

Der Unterschied?
Im Casino weißt du, dass es Glücksspiel ist.
Im Beratungsmarkt denkst du, es wäre eine rationale Entscheidung.

Der Rethinking-Schluss: Zieh dich aus der Lotterie zurück

Solange du Beratung als „Lösungskauf“ verstehst, wirst du Teil dieses Systems bleiben.
Die einzige Möglichkeit, dich daraus zu befreien, ist, Lösungen nicht zu kaufen, sondern Denkstrukturen zu prüfen.
Nicht „Welche Methode klingt gut?“, sondern „Welche Denkarchitektur passt auf mein Problem und kann ich sie nachvollziehen?“

Wenn Coaches und Berater wirklich helfen wollen, müssen sie aufhören, sich über den Gegensatz zu definieren – und anfangen, den Kontext zu definieren, in dem ihr Ansatz funktioniert.
Das passiert nicht, solange der Markt für Lautstärke statt für Klarheit belohnt.

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