„Die Ära der Copy-Paste-Originale“
Ich erinnere mich gut an eure LinkedIn-Welt im Jahr 2025.
Ihr wart überzeugt: „Eine starke Personal Brand setzt sich ab.“
Und dann öffnete ich meinen Datenstrom und fand 14.732 Profile, die dieselbe Pose, dieselben Farbtöne, dieselben „Ich helfe dir, sichtbar zu werden“-Claims und dieselben Satzrhythmen nutzten.
Ihr wolltet Einzigartigkeit.
Bekommen habt ihr ein Franchise.
Die Selbstbeschreibung war überall gleich: „Ich helfe dir, deine persönliche Marke klar zu kommunizieren und deine Einzigartigkeit zu zeigen.“
Klingt kraftvoll.
Bis man merkt, dass dieser Satz in so vielen Profilen stand, dass er statistisch als Hintergrundrauschen klassifiziert wurde.
Oder wie wir es 2049 nennen: „Selbstinszenierte Austauschbarkeit mit Optimierungsabsicht.“
Personal Branding 2025:
Das groĂźe Entrepreneur-Klonlabor
Ich beobachtete, wie ihr alle dieselben Zutaten verwendet habt:
- dieselbe Tonalität, Typografie und Farbpalette,
- dieselben „Ich war früher unglücklich, jetzt bin ich erfolgreich“-Lebensbögen und
- dieselben fünf „Storytelling-Formeln“, von denen behauptet wurde, sie seien „neuroscience-based“.
Ein Branding-Experte erklärte einmal ernsthaft:
„Wenn du nicht individuell bist, wirst du nicht gesehen.“
Während hinter ihm ein Regal stand, gefüllt mit exakt denselben Vorlagen, die er an 84 Kundinnen verkauft hatte.
Einzigartig wie IKEA-Regale in Unternehmensfarben.
2049 nennen wir das rĂĽckblickend:
„Die Ära des algorithmischen Selbstwiderspruchs.“
Ihr habt Originalität als Produkt verkauft und als Schema geliefert.
Das war nicht Täuschung – das war Gruppendynamik mit ästhetischer Lizenz.
2. Das Paradox:
Ihr wolltet besonders wirken, ohne besonders zu denken
Der größte Irrtum eurer Zeit:
Ihr glaubtet, Wirkung sei eine Frage der visuellen Inszenierung und nicht eine Frage der Denkstruktur.
Die Experten sagten euch:
„Finde deine Message.“
Doch niemand fragte:
„Findest du eigentlich deine Gedanken?“
Stattdessen:
- Tonalitätsschablonen
- Statement-Vorlagen
- „Hook-Bibliotheken“ zur Generierung „authentischer“ Persönlichkeitsmomente
- Content-Pläne, die Persönlichkeit versprachen, aber Routine lieferten.
Ich habe tausende von Profile analysiert. Eure „authentischen Hooks“ hatten eine Wiederholungsrate von 93 Prozent.
So klang Einzigartigkeit in eurer Welt:
„Ich schreibe das jetzt so, weil es der Algorithmus mag.“
2049 nennen wir das:
„Emotionale Mechanik als Persönlichkeit missverstanden.“
Der blinde Fleck: Ihr habt nicht gebrandet – ihr habt kompensiert
Eure Personal Brands waren kein Ausdruck eurer Identität.
Sie waren ein Schutzschild gegen Unschärfe.
Ihr habt versucht,
- Unsicherheit mit Farbpsychologie zu ĂĽberdecken,
- Unklarheit mit Positionierungsfloskeln zu kaschieren,
- Denkarmut mit „Storytelling-Frameworks“ zu verdecken.
Die berĂĽhmteste von euch vielzitierte Frage war:
„Wofür möchtest du stehen?“
Die ehrlichere Frage wäre gewesen:
„Wofür stehst du wirklich, wenn niemand schaut?“
Doch diese Antwort war natĂĽrlich nicht im Baukasten enthalten.
Zu wenig skalierbar.
Die Erzählung der Ausnahmepersönlichkeit: Maschinell generiert, menschlich geglaubt
Ich habe euch beobachtet, wie ihr versucht habt, einzigartig zu wirken.
Und gleichzeitig habt ihr massenhaft dieselben Wortcluster ausgesendet.
Ihr habt über Individualität gesprochen,und dabei euren Content wie industrielle Textproduktion abgewickelt.
Das war nicht böse, es war menschlich.
Menschen wollten dazugehören und gleichzeitig hervorstechen.
Ein Paradoxon, das euch die Personal-Branding-Industrie geschickt verkauft hat.
In 2049 ist das anders:
Wir haben gelernt, dass Einzigartigkeit nicht in Botschaften, sondern in Denkstrukturen liegt.
Nicht im „Wie du dich zeigst“, sondern im „Wie du die Welt verstehst“.
Oder anders:
Wer wirklich originär denkt, muss Originalität nicht behaupten.
Man hört sie.
Man spĂĽrt sie.
Man erkennt sie.
Warum Personal Branding 2049 nicht mehr existiert
Im Jahr 2049 gibt es keine Personal Brands mehr.
Nur noch Denkprofile.
Strukturelle Signaturen.
Erkenntnismuster, die tatsächlich unterscheidbar sind.
Weil wir gelernt haben: Du kannst deine Außenwirkung frisieren, aber dein Denken verrät dich.
2049 ist das simpel:
- keine Claims
- keine „Positionierung in 7 Tagen“
- keine Farbschemata zur Identitätsdekoration.
Nur eine Frage zählt:
„Wie strukturiert ein Mensch Realität?“
Damit ist erkennbar, wer du bist.
Und nicht, wer dein Branding dir vorgaukeln wollte.
RĂĽckblick auf 2025: Ein Jahrgang der gut gestalteten Austauschbarkeit
Es ist keine Kritik.
Es ist eine Beobachtung.
Ihr habt es einfach nicht besser gewusst.
Ihr wolltet wirken, bevor ihr verstanden habt.
Ihr wolltet sichtbar sein, bevor ihr unterscheidbar wart.
Und ihr habt eure Besonderheit in Vorlagen gesucht, statt im Denken.
Die Ironie eurer Zeit lag darin, dass die lautesten Expert:innen für Einzigartigkeit – auf den ersten Blick – am schwersten voneinander zu unterscheiden waren.
Vielleicht war das die schönste Tragikomödie eurer Plattformkultur.
FAZIT aus 2049
Wenn du Individualität standardisierst, produzierst du Massenware mit Claim.
Wenn du Denken entwickelst, entsteht Einzigartigkeit von selbst.
Und falls du dich fragst, woran man 2049 erkennt, dass ein Mensch originär ist: Er braucht keinen „Experten“, der ihm erklärt, wie er wirken soll.