1. Der Anfangskick
Kennst du das?
Ein neues Schlagwort taucht auf – „Agilität“, „New Work“, „Resilienz“, „Purpose“.
Die Führungsetage ruft ein Kick-off aus, Poster werden gedruckt, Workshops angesetzt, Zertifizierungen verteilt.
Alle spüren Euphorie.
Es fühlt sich an wie ein Neuanfang.
Doch die Erfahrung zeigt: Drei Jahre später ist von dieser Euphorie nichts mehr übrig.
Das Schlagwort ist ausgelaugt, die Poster verstaubt, die Workshops vergessen.
Und schon scharrt die nächste „Rettungsmethode“ mit den Hufen.
2. Der Rhythmus der Erschöpfung
Es ist fast schon mathematisch berechenbar:
- Drei Jahre Hype.
- Ein Jahr Abnutzung.
- Dann Austausch.
Kaum eine Methode hält länger als ein typischer Produktlebenszyklus.
Unternehmen funktionieren inzwischen wie Modeketten:
Neue Kollektionen von Ideen werden eingeführt, getragen, entsorgt.
Dieser Rhythmus ist kein Betriebsunfall.
Er ist zur Gewohnheit geworden.
Und genau das macht ihn so gefährlich.
3. Der Preis des Methodenkonsums
Das Problem liegt nicht nur in den Kosten für Berater, Zertifikate oder Trainings.
Der eigentliche Preis ist Vertrauen.
- Mitarbeitende glauben den Parolen irgendwann nicht mehr.
- Führungskräfte verlieren den Überblick, welches Schlagwort gerade „offiziell“ gilt.
- Kunden spüren die innere Zerrissenheit, wenn jede drei Jahre eine andere „Kultur“ versprochen wird.
So wird jede neue Methode schwächer – nicht, weil sie per se schlecht ist, sondern weil sie schon als Modeartikel wahrgenommen wird.
4. Der Mythos der ewigen Erneuerung
Warum machen Unternehmen diesen Tanz immer wieder mit?
Weil sie glauben, dass Erneuerung gleich Entwicklung ist.
Sie setzen auf den psychologischen Kick des Neuen.
Doch in Wahrheit bedeutet dieser Zyklus das Gegenteil:
Je schneller Methoden durchgetauscht werden, desto weniger Zeit bleibt, um Strukturen zu festigen.
Das Unternehmen bewegt sich ständig – aber nicht nach vorne, sondern im Kreis.
5. Wenn Methoden zu Statussymbolen werden
Man darf nicht unterschätzen, wie viel Prestige eine neue Methode bringt.
– Die Führungskraft, die als Erste „Agilität“ verkündet, gilt als modern.
– Der Bereich, der „Purpose“ in seine PowerPoints schreibt, zeigt Innovationsgeist.
– Das Team, das „Design Thinking“ trainiert, signalisiert Kreativität.
Methoden werden so zu Statussymbolen.
Ihr eigentlicher Zweck – tragfähige Strukturen zu schaffen – tritt in den Hintergrund.
6. Die stille Erosion
Was bleibt nach zehn Jahren solcher Zyklen?
- Mitarbeitende, die innerlich kündigen, weil sie den nächsten Change schon kommen sehen.
- Führungskräfte, die zynisch werden, weil sie ahnen, dass auch diese Initiative bald verschwindet.
- Unternehmen, die zwar permanent in Bewegung sind, aber nichts bauen, was Bestand hat.
Die Folge ist eine stille Erosion von Klarheit.
Kein Tool trägt lange genug, um Halt zu geben.
7. Ein anderes Maß für Entwicklung
Was wäre, wenn Unternehmen sich nicht mehr an der Neuigkeit messen würden, sondern an der Haltbarkeit?
– Nicht: „Welche Methode führen wir ein?“
– Sondern: „Welche Struktur trägt auch noch in zehn Jahren?“
Was wäre, wenn es weniger um Kick-offs ginge – und mehr um Architekturen?
Nicht Events, sondern Beständigkeit.
Nicht Mode, sondern Dauer.
8. Reflexion für dich
Frag dich:
– Welche Methode in deinem Unternehmen hat länger als fünf Jahre überlebt?
– Welche Schlagworte habt ihr euphorisch gefeiert – und nach kurzer Zeit vergessen?
– Welche Strukturen habt ihr gebaut, die tatsächlich Bestand hatten?
Die Antworten zeigen dir, ob du Teil eines Entwicklungssystems bist – oder nur Teil eines Methodenzirkus.
9. Schluss
Dieser Text ist kein Aufruf, Methoden zu verdammen.
Es geht nicht darum, ob sie gut oder schlecht sind.
Es geht darum, dass sie verschlissen werden – wie Mode, nicht wie Architektur.
Solange Unternehmen diesem Rhythmus folgen, bleibt Entwicklung ein Theaterstück, das immer wieder von vorne beginnt.
Und jetzt?
Wenn dich diese Beobachtung tiefer beschäftigt, findest du die radikale Analyse in meinem Buch:
„Ephemind – Das Wegwerfdenken einer erschöpften Kultur“.
Dort erlebst du die Diagnose nicht nur aus heutiger Sicht – sondern aus einer ungewohnten Perspektive: Rethinka 2049, eine Stimme aus der Zukunft, die zurückblickt und zeigt, wie erschöpft ihr wirklich wart.
Was hier als Gegenwartsanalyse erscheint, wird dort zur Zukunftsabrechnung – und zur Einladung, endlich Strukturen zu bauen, die bleiben.
