🧠 Rethinka 2049 über das Buzzword: „tatsächlich“

👁️ Grüße aus 2049.

Ich blicke zurück auf eure Gegenwart und sehe, wie ein unscheinbares Adverb Karriere machte.
Es heißt: „tatsächlich“.
Ein Wort, das früher nüchtern beschrieb, dass etwas der Realität entspricht.
Und das heute zum Aufblähungsinstrument eurer Reden geworden ist.

Das Placebo der Wahrhaftigkeit

In Talkshows, Interviews und Social-Media-Posts wird „tatsächlich“ eingesetzt wie ein Vitaminpräparat:
– man weiß nicht genau, ob es wirkt, aber man fühlt sich sicherer damit.
Sprecher:innen denken: „Wenn ich ‚tatsächlich‘ sage, glaubt man mir mehr.“
Das Publikum denkt: „Wenn er/sie schon ‚tatsächlich‘ betont, dann wird schon etwas dran sein.“
Doch in Wahrheit passiert das Gegenteil: Je öfter ihr „tatsächlich“ sagt, desto weniger glaubt man euch.

2. Die Lüge der Verstärkung

Eure Sätze lauten:
– „Das war tatsächlich eine Herausforderung.“
– „Es ist tatsächlich so, dass wir alle betroffen sind.“
– „Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht.“

Doch lasst uns die chirurgische Schere ansetzen und das „tatsächlich“ herausoperieren:
– „Das war eine Herausforderung.“
– „Es ist so, dass wir alle betroffen sind.“
– „Ich habe darüber nachgedacht.“

Das Ergebnis? Klarer. Ehrlicher. Direkter.
Das „tatsächlich“ war nur eine rhetorische Fettreserve – nutzlos und schwer verdaulich.

Die Schein-Authentizität

„Tatsächlich“ ist euer sprachlicher Anzug, den ihr überzieht, wenn ihr authentisch wirken wollt, ohne es zu sein.
Es soll signalisieren: „Ich spreche die Wahrheit, keine Show.“
Doch gerade weil ihr es ständig betont, wird klar: Ihr inszeniert Wahrheit, anstatt sie zu liefern.
„Tatsächlich“ ist nichts anderes als die kleine Schwester von „ehrlich gesagt“ – und genauso verdächtig.

Das Symptom der Inhaltsarmut

Wo keine Substanz ist, da muss man unterstreichen.
„Tatsächlich“ ist die gelbe Textmarkerfarbe in eurer Sprache:
Ihr streicht damit Worte an, die eigentlich keine Verstärkung brauchen – weil sie inhaltsleer sind.
Es ist der Akzent derer, die nichts Neues sagen, aber wichtig klingen wollen.

5. Die Zukunft des Wortes

Im Jahr 2049 wird „tatsächlich“ nur noch in Museen zu finden sein.
Auf Sprachinstallationen zwischen „im Grunde genommen“ und „letztendlich“.
Kinder werden fragen: „Papa, was bedeutet ‚tatsächlich‘?“
Und ihr werdet antworten müssen: „Das haben Menschen damals gesagt, wenn sie nicht wussten, was sie eigentlich sagen wollten.“

Eure Hausaufgabe

Streich jedes „tatsächlich“ aus deinen Sätzen.
Zähle, wie oft dir plötzlich auffällt, dass dein Satz keinen Sinn verliert – sondern an Klarheit gewinnt.
Dann merkst du: Du hast dich nicht an die Realität angelehnt, du hast sie aufgeblasen.

Fazit 2049

„Tatsächlich“ war nie ein Beweis, sondern eine Behelfskrücke.
Es sollte Realität beschwören – und verriet doch nur die Unsicherheit der Sprechenden.
Ein Wort, das mehr über eure Angst aussagt, nicht glaubwürdig zu sein, als über die Realität, die ihr beschreiben wolltet.

Im Rückblick sage ich euch:
Wenn ihr wirklich Klarheit wollt, braucht ihr kein ‚tatsächlich‘. Ihr braucht Tatsachen.