Worum es geht
Im Rahmen der strategischen Entwicklung von Arztnetzen besitzen die Ergebnisse von Patientenbefragungen eine zentrale Bedeutung. Doch die meisten Analysen liefern falsche Resultate. Ein 6-Säulen-Konzept hilft, das zu vermeiden.
Einfach und irreführend
Der größte Teil der in Arztnetzen durchgeführten Befragungen basieren auf der Schulnoten-Skalierung. Ihr Vorteil ist die hohe Bekanntheit und Akzeptanz unter den Patienten sowie die einfache und schnelle Auswertbarkeit. Dem stehen aber eine nur gering differenzierende Aussagekraft und vor allem die mangelnde Eignung zu einer adäquaten Abbildung der Zufriedenheits-Realität gegenüber. Das zeigen Vergleiche von Schulnoten-basierten Befragungen mit erneut durchgeführten Untersuchungen, die parallel die Patienten-Anforderungen und ihre Zufriedenheit bestimmen. Das Noten-Verfahren war nicht in der Lage, die tatsächlichen Stärken und Schwächen der Praxisarbeit adäquat zu identifizieren und führte zu deutlichen Fehlaussagen.
Warum Schulnoten ungeeignet sind
Schulnoten liefern als Bewertungsmaßstäbe erfahrungsgemäß zu positive Ergebnisse, selbst bei deutlicher Kritik der Praxisbesucher. Geprägt durch die eigenen Erfahrungen mit Noten vergeben Patienten bei Unzufriedenheit zwar tendenziell negativere Beurteilungen, scheuen aber davor zurück, die schlechte Performance auch realitätsgerecht in einen entsprechenden Wert zu fassen.
Ein zweiter Aspekt ist der fehlende Einblick in die Anforderungen der Praxisbesucher, denn nicht alle Leistungsmerkmale haben die gleiche Bedeutung und Wichtigkeit. Erst die ergänzende Betrachtung dieser Größe ermöglicht es, Handlungsbedarf-Prioritäten zu bilden, indem zwischen Kern- und Rand-Stärken bzw. -Schwächen unterschieden wird.
Strategische Praxisentwicklung mit dem 6-Säulen-Ansatz
Um Patientenbefragungen in Arztnetzen operativ und strategisch als aussagefähige Praxisanalysen nutzen zu können, hilft ein Ansatz, der auf sechs Säulen basiert:
(1) einer Befragungs-Technik, die es ermöglicht, den Patient Care Quality Score (PCQS) zu ermitteln
Über die Zusammenführung von Anforderungen und Zufriedenheit können die Betreuungqualität bestimmt und die Analyse-Merkmale nach ihrem Handlungsbedarf klassifiziert bzw. priorisiert werden, eine Option, die sowohl den Praxisteams der Mitglieder als auch dem Netzverbund hilft, die knappen Ressourcen auf das wirklich Wichtige auszurichten. Zudem wird es möglich, unter Verwendung des PCQS Zielparameter für die Betreuungsqualität zu formulieren und ihr Erreichen zu kontrollieren.
(2) der Bestimmung der Weiterempfehlungs-Bereitschaft
Sie ist eine unverzichtbare strategische Kennziffer, die die längerfristig ausgerichtete Handlungsbereitschaft der Patienten beschreibt, die aus der von ihnen empfundenen Betreuungsqualität resultiert. In vielen Fällen sind Patienten zwar mit der Praxisleistung zufrieden, sehen aber auch Defizite, die sie persönlich nicht weiter beachten, anderen aber nicht zumuten möchten, vor allem nicht, wenn sie eine persönliche Empfehlung aussprechen.
(3) einer Gap-Analyse
Neben dem Gesamtergebnis, das sich für ein Netz ergibt, ist auch wichtig, wie sich die PCQS-Werte der einzelnen Netz-Mitglieder verteilen: liegen sie alle auf einem vergleichsweise hohen Niveau nah beieinander oder existieren starke Schwankungen, so dass es zu PCQS-Lücken („Gaps“) kommt? Eine entsprechende Übersicht lässt sich durch ein anonymisiertes internes Benchmarking der Praxis-Resultate ermitteln.
(4) der Ermittlung der Patient Experience
Das interne Benchmarking der Gap-Analyse lässt sich durch einen Vergleich der Patient Experience verfeinern. Sie beschreibt das Gesamterlebnis der Patienten, das sich aus ihren Erfahrungen an den einzelnen Leistungsabschnitten („Touchpoints“) der Praxisarbeit – von der Terminvereinbarung bis zur Verabschiedung – ergibt. Je positiv-homogener diese Erfahrung ist, desto intensiver sind die Patientenbindung und die Image-Bildung. Ist für ein Netz bekannt, ob es einzelne Touchpoints gibt, die – über alle Mitglieder betrachtet – defizitär sind, können zielgerichtete Maßnahmen eingeleitet werden.
(5) dem Vergleich mit einem Minimum-Optimum-Maßstab
Die Ermittlung der Betreuungsqualität liefert zwar eine isolierte Aussage für die einzelne Praxis und das Netz, nicht aber darüber, wie diese in Relation zum Markt- und Umfeldniveau aufgestellt ist. Der zur Einordnung relevante Minimal-Standard kann mit Hilfe eines Betriebsvergleichs zu Arztpraxen der jeweils zugehörigen Fachgruppe bestimmt werden, das Optimum ist aus einem Benchmarking zum Best Practice-Standard ermittelbar. „Gute“ Zufriedenheitswerte befinden sich stets innerhalb dieses Korridor. Das gleiche Verfahren ist auf Netz-Ebene möglich, der Betriebsvergleich wird hierbei jedoch nicht auf auf Fachgruppen-Ebene ermittelt, sondern mit Hilfe des jeweiligen PCQS-Gesamt-Durchschnittswertes, der sich aus der Netzstruktur ergibt.
(6) einem Monitoring des Zufriedenheits-Verlaufs über mehrere Analyse-Zeitpunkte
Die meisten Patientenbefragungen werden in einem 2-Jahres-Turnus durchgeführt, ein Vergleich zu den jeweils vorhergehenden Ergebnissen erfolgt nur selten. Um ein professionelles Zufriedenheits-Management zu etablieren, müssen Patientenbefragung kurzfristiger und kontinuierlich durchgeführt werden, ergänzt durch die Untersuchung der Veränderungen im Zeitablauf. Erst auf diese Weise wird es auch möglich, Zufriedenheits-Ziele, z. B. in Form anzustrebender PCQS-Werte, zu formulieren und zu kontrollieren, die dann die Praxisarbeit steuern.
Weiterführende Informationen und Hilfestellungen zum Thema
Der Valetudo Check-up© „Patientenzufriedenheit Arztpraxis“ basiert auf dem beschriebenen 6-Säulen-Ansatz und ermöglicht, ihn in einer einfachen, praxiserprobten Form in Arztnetzen umzusetzen. Alle Informationen im Überblick.
©Klaus-Dieter Thill / IFABS
Diesen Beitrag zitieren
Thill, Klaus-Dieter: (Titel), IFABS: BENCHMARK!, (Publikations-Datum des Beitrags)
Bildnachweis
©IFABS Photo-Edition, erhältlich bei EYEEM und GETTY IMAGES