Sparen wir uns die Schönfärberei.
Wenn du zu den etwa zwei Dritteln der Führungskräfte gehörst, die ihren Mitarbeitenden kein professionelles Feedback geben können – sei es aus Angst oder Unfähigkeit – dann hier ein radikaler Vorschlag: Hör auf, dich Führungskraft zu nennen. Denn das bist du nicht.
Du bist ein Platzhalter mit Visitenkarte.
Du leitest Meetings, verschickst Mails, setzt Ziele. Aber wenn es um die eine menschlichste, direkteste, wirkungsvollste Führungsaufgabe geht – mit deinen Leuten über ihre Leistung zu sprechen – dann bist du weg. Puff. Unsichtbar. Feigling-in-Chief.
Und trotzdem glaubst du, du „empowerst“ andere?
Nennen wir dieses Phänomen beim Namen: kommunikative Impotenz.
Die Schweige-Epidemie in Unternehmen
Zwei Drittel. Lass das mal sacken.
In jeder Besprechung mit Führungskräften, Bereichsleitern oder Vorständen sind die meisten stumm – genau dann, wenn es zählt. Feedback – klar, konstruktiv, mutig – ist der Sauerstoff des Wachstums. Aber im Raum sitzen Menschen, die kollektiv die Luft anhalten.
Du nennst dein Schweigen Diplomatie.
Dein Ausweichen nennst du Empathie.
Dein Wegducken heißt bei dir Selbstverantwortung.
Das ist nicht nur unehrlich. Es ist brandgefährlich.
Denn die Wahrheit ist unbequem: Was du nicht aussprichst, verschwindet nicht. Es vergärt. Es zersetzt die Performance deines Teams. Es multipliziert sich zu Frust, Verwirrung, Stillstand. Und schließlich: Kündigung.
Schweigen ist kein neutraler Akt.
Es ist eine Entscheidung – mit Folgen.
Warum Führungskräfte schweigen: Die erbärmliche Psychologie dahinter
Seien wir großzügig. Vielleicht bist du nicht kalt. Vielleicht hast du Angst.
Angst, nicht mehr gemocht zu werden. Angst vor der Konfrontation. Angst, das schöne Bild zu zerstören, dass alles okay ist.
Oder du hast nie gelernt, Schwieriges klar und respektvoll auszusprechen.
Aber weißt du was? Das ist trotzdem keine Entschuldigung.
Schlechtes Feedback ist keine Persönlichkeitsfrage. Es ist ein Führungsfehler.
Und fehlendes Feedback schützt niemanden – es lähmt alle.
Was du in Wirklichkeit tust:
- Du raubst deinem Team die Chance, zu lernen.
- Du blockierst echte Entwicklung.
- Du züchtest Mittelmaß und nennst es psychologische Sicherheit.
Das ist keine Führung. Das ist Sabotage im Schneckentempo.
Die passive-aggressive Feedback-Hölle
Und wenn du doch mal sprichst, dann verpackst du alles in zehn Schichten Weichspüler:
- „Vielleicht denkst du nächstes Mal an …“
- „Nur so als Idee …“
- „Gar nicht schlecht, aber man kann ja immer besser werden …“
Übersetzung? „Ich find’s furchtbar, aber trau mich nicht, es zu sagen.“
Lass uns das klarstellen: Echtes Feedback ist kein Rätselspiel.
Es braucht keine Dekodierung. Es braucht Rückgrat.
Sag, was gesagt werden muss.
Respektvoll. Direkt. Mit dem Ziel, zu verbessern – nicht zu verletzen.
Feedback ist kein Beliebtheitswettbewerb. Es ist Führungsverantwortung.
Die Kulturfolgen des Feedback-Versagens
Was passiert, wenn Führungskräfte nicht reden?
- Leistung stagniert. Kein Input = keine Entwicklung.
- Vertrauen schwindet. Wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, glaube ich dir auch sonst nichts.
- Spannungen steigen. Ausweichende Gespräche werden zu Zeitbomben.
- Menschen gehen. Aber nicht, bevor sie innerlich gekündigt haben.
Und die Ironie?
Gerade die, die kein Feedback geben, jammern am lautesten über unmotivierte Mitarbeitende.
Newsflash: Demotivation entsteht, wenn Menschen sich unsichtbar fühlen. Feedback ist die einfachste Art zu sagen: Ich sehe dich. Ich glaube an dich. Lass uns besser werden – gemeinsam.
Radikales Umdenken: Feedback als Führungsritual
Drehen wir den Spieß um.
Was wäre, wenn Feedback kein gefürchteter Ausnahmezustand wäre – sondern tägliche Führungsroutine?
Was wäre, wenn Feedback keine Kritik – sondern Co-Kreation wäre?
Du gibst Feedback nicht an jemanden. Du gibst Feedback für jemanden.
Um zu helfen. Zu führen. Zu fördern.
Neue Regel:
Wenn du etwas bemerkst – sprich es an.
Wenn es zählt – benenne es.
Wenn es wehtut – verpacke es mit Würde, aber nicht mit Watte.
Feedback ist kein Rechthaben. Es ist Echtheit.
Der Feedback-Test: Führst du überhaupt?
Mach den Test. Kein PowerPoint. Kein Budget. Kein Workshop.
- Kannst du deinem Teammitglied in die Augen sehen und sagen: „Das war nicht gut genug – und hier ist der Grund“?
- Kannst du beschreiben, wie Exzellenz aussieht – nicht nur, was schief lief?
- Kannst du loben, ohne es mit Relativierungen zu verwässern?
- Kannst du ruhig bleiben, wenn du etwas Unangenehmes sagen musst?
Wenn du zwei oder mehr Fragen mit Nein beantwortest – tritt zurück.
Lass jemanden mit mehr Mut ran.
Denn Führung ohne Feedback ist wie Autofahren mit verbundenen Augen:
Früher oder später baust du einen Unfall. Und reißt andere mit.
Feedback ist der Lackmustest echter Führung
Vergiss Charisma. Vergiss Strategiefolien. Vergiss Offsites.
Hier ist deine wahre Führungsqualifikation:
Kannst du das schwierige Gespräch führen?
Solange du das nicht kannst, bist du kein Leader. Du bist ein Risiko.
Dieser Text ist dein Weckruf.
Reiß die Schweigemauer ein. Sprich. Steh gerade.
Werde zur Führungskraft, die den Mut hat, zu sprechen. Und zu handeln.
Nicht morgen. Nicht im nächsten Quartal. Jetzt.
Denn am Ende ist die Stimme, die du nicht nutzt …
genau die, die dein Team am dringendsten braucht.