Toxische Mindsets im pharmazeutischen Vertrieb: „Wir kennen unsere Kunden!“

Worum es geht

Wahrscheinlich wird kein Satz im Arbeitsalltag der pharmazeutischen Industrie häufiger verwendet als dieser. Er dient als Leistungsbeweis und gleichzeitig als Abgrenzung zu anderen Abteilungen des Unternehmens, um dem eigenen Status einen unikalen Charakter zu verleihen. Der Grund: nach wie vor hat der Außendienst damit zu kämpfen, auf „Augenhöhe“ von und mit anderen Abteilungen gesehen zu werden. Aber leider trifft die Aussage nicht zu.

Vieles ist bekannt

Auf viele Informationen trifft die Aussage zu: diagnostisches und therapeutisches Verhalten der Zielpersonen, medizinische Interessen, Größe der Praxen, aber auch Geburtstage der Inhaber und deren Hobbys kennen die Mitarbeiter gut. Doch alle diese Informationen helfen nur, einen situativen Kunden-Status zu erstellen.

Die Black Box

Für strategische Entscheidungen oder eine Lifetime Value-Bestimmung sind sie nur bedingt geeignet, da wichtige Parameter eben nicht bekannt sind. Einer ist die Praxismanagement-Performance der besuchten Praxisbetriebe. Sie ist der Transmitter, um eine Verordnungs-Entwicklung im Sinne eines Wachstums überhaupt realisieren zu können. Der Maßstab für die Performance-Qualität ist der Best Practice-Standard der Praxisführung. Er beschreibt die Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen, die in einer Arztpraxis notwendig sind, um eine auch unter wechselnden Anforderungen reibungslos funktionierende Arbeit realisieren zu können. Wird er nicht vollständig umgesetzt, hat das negative Auswirkungen auf die Effizienz und Produktivität, aber auch auf die behandelbaren Patienten.

Falsche Prioritäten

Analysiert man die von Vertriebs-Organisationen als Top-Praxen klassifizierten Betriebe, sind 40% hiervon als Praxismanagement-Low Performer zu klassifizieren,

die von ihrem defizitären internen Management gar nicht in der Lage sind, mittel- und längerfristig ein Patienten-Wachstum zu generieren. Diese Information fehlt Außendienst-Mitarbeiter jedoch, da sie sich an ungeeigneten Merkmalen wie der Ausstattung der Praxen, der Existenz von Zertifizierungen oder vor allem von den Selbstauskünften der Praxisinhaber blenden lassen. Doch grundsätzlich gilt: Die Bereitschaft, ein Präparat einzusetzen, ist nicht gleichzusetzen mit der Fähigkeit, das tatsächlich ausführen zu können. So relativiert sich die apodiktisch formulierte Aussage über die Kundenkenntnis zu einer selbstbeschränkenden Halbwahrheit mit fehlleitenden Prioritäten.