Apps auf Rezept: Anbieter berücksichtigen zu wenig das Verordnungs-Verhalten von Haus- und Fachärzten

Worum es geht

Für die Vermarktung von Apps in der Regelversorgung besitzen niedergelassene Ärzte eine wesentliche Gatekeeper-Funktion. Anbieter, die hier erfolgreich sein wollen, müssen sich deshalb damit beschäftigen, wie Verschreibungen im Praxisalltag erfolgen.

Der lange Weg in die Praxis

Eine Vielzahl von Fallbeispielen zeigt bereits in Ansätzen, dass Gesundheitsanwendungen die medizinische Versorgung fördern und verbessern können. Doch der Weg in die Regelversorgung ist für die Anbieter von Apps lang, arbeitsintensiv und mit einer Vielzahl von Unabwägbarkeiten gepflastert, nicht zuletzt in Form des Verfahrens, mit dem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über die Leistungserbringung in der Regelversorgung ent- scheiden wird. Um mit ihren Angeboten nach Erhalt der „Eintrittskarte“ erfolgreich zu sein, kommt es für die Anbieter vor allem darauf an, schnell in der Breite Fuß zu fassen, ein Ziel, das durch geeignete Maßnahmen bereits vor der Zulassung vorbereitet werden muss.

Das Verschreibungs-Verhalten bei Medikamenten als Orientierung

Gatekeeper für die Markt-Diffusion sind Haus- und Fachärzte, die die Apps verschreiben sollen. Dabei wird davon ausgegangen, dass mit der Erstattungszusage durch die Krankenkassen eine wichtige Marktbarriere im Hinblick auf diese Zielgruppe überwunden ist. Beratungs-Gespräche mit Marketing- und Vertriebs-Verantwortlichen zeigen jedoch, dass viele sich bislang noch zu wenig mit dem grundsätzlichen Verordnungsverhalten niedergelassener Ärzte bei Medikamenten beschäftigt haben, das eine Referenz für die Verschreibung von Apps bildet. Sein drei wesentlichen Kennzeichen:

  • der zeitliche Aufwand für Verordnungen ist im Arzt-Patienten-Gespräch äußerst gering, man arbeitet – von Praxisbesuchern in Befragungen seit Urzeiten beklagt – nach dem Twitter- Prinzip: kurz und schnell, häufig sogar noch zusätzlich unverständlich, da Fachbegriffe verwendet werden,
  • trotzdem erwarten die Mediziner von ihren Patienten Compliance, überprüfen diese aber nur selten und unternehmen auch nichts, was die Therapie-Treue fördert,
  • Adhärenz wird kaum praktiziert, weniger als ein Drittel der Haus- und Fachärzte definiert gemeinsam mit Patienten Therapie-Ziele.

Dieses etablierte Vorgehen wird sich für Apps initial kaum ändern

Dieses Verhalten werden Praxisinhaber für die Verschreibung von Apps, die nicht nur mehr Erklärungen, sondern auch eine Langzeit-Motivation der Patienten benötigen, um erfolgreich wirksam zu sein, kaum verändern, denn:

  • das Interesse niedergelassener Ärzte an einer intensiveren Beschäftigung mit Gesundheitsanwendungen ist gegenwärtig sehr gering, die meisten würden Apps nur passiv verordnen, wenn Patienten danach fragen, äußern sie sich dabei noch abwertend, werden Patienten die Apps nicht lange nutzen,
  • in Relation zu Medikamenten besitzen digitale Anwendungen für Haus- und Fachärzte nur eine untergeordnete Bedeutung, ihnen wird keine Notwendigkeit zugemessen und es existieren bislang – aus Sicht der Ärzte – keine Wirkungs-Nachweise, die sie überzeugen könnten,
  • hinzu kommt, dass ein Großteil der Mediziner kein Interesse an Experimenten hat und
  • die Befürchtung von Zeitverlusten durch Patienten-Diskussionen zu technischen Aspekten und Datenschutz derzeitig größer ist als die – ohnehin niedrige – Nutzeneinschätzung.

Fazit

Eine erfolgreiche Vermarktung von Gesundheits-Apps muss daher – über eine reine Informations-Übermittlung zu den Möglichkeiten der Anwendungen hinaus – Ärzten Anreize bieten, ihr etabliertes und praktiziertes Verordnungs-Verhalten zu verlassen. Die bislang verwendeten Marketing-Argumente und -Instrumente sind dazu jedoch nicht in der Lage.