Worum es geht
„Oh nein, da ist Herr S. Das ist ein wirklich schwieriger Mensch.“ Diese und ähnliche Gedanken gehen vielen Medizinischen Fachangestellten im Arbeitsalltag immer wieder durch den Kopf. Die Etikettierung wird dann vergeben, wenn sich Praxisbesucher nicht an Regeln halten, Grenzen überschreiten oder Abläufe sprengen, wenn sie nerven und provozieren, aggressiv und unsympathisch sind oder sich beschweren. Aber selten stimmt sie.
Problem-Eingrenzung
Um nicht vorschnell eine Bewertung zu vergeben, die dann meist auch noch für immer an den Personen haften bleibt, sollte man sich zunächst Klarheit verschaffen, ob es sich wirklich um Problem-Patienten handelt oder ob
- sich diese Klassifizierung vielleicht nur eingeschlichen hat, weil eine Kollegin oder ein Praxis-Partner irgendwann einmal über Schwierigkeiten im Umgang geklagt hat,
- ein Praxisbesucher einem einfach unsympathisch ist, oft sind es Eigenschaften, Verhaltensweisen und Vorstellungen, die man selbst als fremd, störend oder unangenehm empfindet, z. B. weil sehr intensiv nachgefragt wird,
- durch das eigene Verhalten u. U. entsprechende Reaktionen provoziert wurden,
- vielleicht das Problem, das der Patient thematisiert, „nervt“, weil es nicht zu beseitigen ist und man die eigene Frustration auf das Gegenüber überträgt oder ob
- der Arbeitsdruck so hoch ist, dass durch Patienten bewirkte Verzögerungen im Ablauf gravierende Folgen haben.
Die Klärung dieser Frage trägt erfahrungsgemäß dazu bei, dass sich die Anzahl der „schwierigen“ Patienten deutlich verringert. Doch auch die verbleibende Restgruppe ist nicht objektiv definiert. Phlegmatische Patienten, Choleriker, Vielredner oder ähnliche Personen zeigen zwar ein auffälligeres oder abweichendes Verhalten als andere Praxisbesucher, ihre Klassifizierung ist jedoch stets subjektiv und vor allem dadurch verursacht, dass man über keine geeignete Gegenstrategie verfügt.
Das eigentliche Problem sind also weniger diese Mitmenschen, sondern das eigene Unvermögen, mit ihnen kommunikativ richtig umzugehen.
Beispiel „Dominanz“
Eine schwierige Gesprächs-Situation entsteht beispielsweise, wenn Patienten Medizinische Fachangestellte von oben herab behandeln, dominieren, in Extrem-Situationen sogar versuchen, sie kleinzumachen. Manchmal reichen hierfür eine ironisch betonte Formulierung wie „Ach ja?“ oder eine Musterung von oben herab aus. Ziel des Verhaltens ist, unabhängig vom individuellen Beweggrund, eine Demütigung, um die eigene Position gewichtiger darzustellen. Mitarbeiterinnen, die sich hierdurch einschüchtern lassen, verlieren ihre übliche Souveränität und werden in eine passive Rolle gedrängt, sinken häufig sogar körpersprachlich in sich zusammen. In der Konsequenz, und das ist das Entscheidende, verlieren sie die Kontrolle über das Gespräch.
Die Lösung dieser Situation besteht in erster Linie in der Rückgewinnung der eigenen inneren Stärke durch
- eine aufrechte, stabile äußere Haltung,
- gleichzeitig blickt man seinen Gesprächspartner an,
- lächelt und fährt mit dem Gespräch fort, als ob es den Dominanz-Versuch gar nicht gegeben hätte.
In den meisten Fällen erkennt das Gegenüber die Wirkungslosigkeit seines Verhaltens sofort und lässt sich ohne Gesichtsverlust in eine normale, konstruktive Gesprächsführung zurückführen.