Rethinking als Imperativ: Die sträflich vernachlässigte Dimension der Effizienz in der Praxisführung von Haus- und Fachärzten (THOR5068)

„Effizienz ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis ärztlicher Verantwortung.“

Externe Effekte und die Suche nach Verantwortlichen

Die wirtschaftliche Situation vieler Haus- und Facharztpraxen steht seit Jahren im Fokus ärztlicher Debatten und Stellungnahmen. Mit Verweis auf äußere Faktoren wie die steigende Inflation, eine als unzureichend empfundene Honorarpolitik und den hohen Anteil an Personalkosten wird regelmäßig ein Bild gezeichnet, das Praxisinhabern scheinbar wenig Spielraum für wirtschaftliche Gegensteuerung lässt. Diese Argumentation ist in ihrer Grundlage nicht unbegründet, doch sie bleibt unvollständig – und genau hier liegt ein zentrales Problem.

Der fehlende Blick nach innen

Indem die Diskussion fast ausschließlich externe Rahmenbedingungen betont, wird ein entscheidender Aspekt vernachlässigt: die unternehmerische Eigenverantwortung. Diese ist kein abstraktes Konzept, sondern ein zentraler Hebel, der in den Händen der Praxisinhaber liegt. Ihre Intensität und ihr Umfang lassen sich daran messen, wie konsequent der Best Practice Standard der Praxisführung umgesetzt wird – ein Standard, der nicht nur Orientierung bietet, sondern auch direkte Auswirkungen auf die wohl wichtigste Steuerungsgröße des Praxiserfolgs hat: die Effizienz.

Das ungenutzte Potenzial: Effizienz als Schlüsselgröße

Effizienz, definiert als das optimale Verhältnis zwischen eingesetzten Ressourcen und erzielten Ergebnissen, bildet die Grundlage wirtschaftlicher Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. In der ärztlichen Praxis umfasst dies etwa die effektive Organisation von Arbeitsabläufen, eine vorausschauende Personalführung, gezielte Patientensteuerung und die optimale Nutzung von Zeit und Raum.

Doch hier zeigt sich eine zentrale Schwäche in der Realität der Praxisführung: Die Ergebnisse von Benchmarking-Analysen verdeutlichen, dass Praxisinhaber im Durchschnitt nur etwa die Hälfte des Best Practice Standards tatsächlich umsetzen. Das bedeutet, dass die Hälfte der Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung – und damit zur Verbesserung des wirtschaftlichen Ergebnisses – schlichtweg ungenutzt bleibt. Dieser Umstand ist nicht nur ein Ausdruck von Versäumnissen, sondern auch ein Weckruf: Das Potenzial zur Veränderung ist vorhanden, es wird jedoch nicht ausgeschöpft.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Häufig fehlen die systematische Analyse und das Bewusstsein für bestehende Schwächen. Hinzu kommt, dass viele Praxisinhaber ihren Fokus stärker auf medizinische Leistungen als auf organisatorische und wirtschaftliche Prozesse richten. Doch gerade in Zeiten externer Herausforderungen ist es die Effizienz, die als innere Steuerungsgröße den Unterschied macht.

Der Best Practice Standard: Ein Kompass für unternehmerische Eigenverantwortung

Der Best Practice Standard der Praxisführung ist mehr als eine Idealvorstellung – er ist ein konkreter, messbarer Maßstab, der die Grundlage für nachhaltigen Erfolg bildet. Er umfasst alle Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen, die in den Aktionsbereichen der Praxisführung – von der Planung über Organisation und Führung bis zum Controlling – unerlässlich sind, um einen funktionierenden Betrieb unter wechselnden Anforderungen zu realisieren. Dieser Standard zeigt nicht nur, was möglich ist, sondern liefert auch einen klaren Handlungsrahmen, um Schwachstellen zu identifizieren und gezielt zu beheben.

Der Schlüssel liegt dabei in der objektiven Analyse der eigenen Praxisleistung im Vergleich zu diesem Standard. Kennziffern und ein Dashboard helfen, die Ergebnisse dieses Benchmarkings übersichtlich zu visualisieren. Sie schaffen Transparenz, zeigen Abweichungen auf und helfen dabei, Prioritäten zu setzen. Ohne diese Analyse bleibt Effizienz ein nebulöses Ziel, das nicht greifbar ist.

Rethinking als Antwort auf systematische Ineffizienz

Die Erkenntnis, dass in vielen Praxen ein erhebliches ungenutztes Potenzial schlummert, führt unweigerlich zu einem Punkt: Es braucht ein Umdenken. Dieses Rethinking ist kein einmaliger Akt, sondern ein bewusster und systematischer Prozess, der die Praxisführung auf ein neues Niveau hebt. Dabei steht die R2A-Formel – Reflect, Analyze, Advance im Mittelpunkt. Sie bietet, ohne die Notwendigkeit einer umfangreichen Unterstützung von außen, eine klare Struktur, um den Wandel zu gestalten:

  • Reflect: Der erste Schritt ist die kritische Selbstreflexion. Praxisinhaber müssen sich fragen: Welche Prozesse funktionieren gut, und wo liegen die größten Schwächen? Welche Ressourcen werden ineffizient genutzt, und welche Chancen bleiben ungenutzt? Die Reflexion schafft Bewusstsein für die eigenen Defizite und legt den Grundstein für Veränderung.
  • Analyze: Im zweiten Schritt werden die Erkenntnisse der Reflexion vertieft und mit dem Best Practice Standard abgeglichen. Diese Analyse liefert nicht nur einen klaren Handlungsrahmen, sondern auch eine messbare Grundlage, um Fortschritte zu überwachen und die Praxisführung zielgerichtet zu steuern.
  • Advance: Der letzte Schritt ist die Umsetzung der Erkenntnisse. Hier geht es darum, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Praxis an die Best Practice-Anwendungsnorm anzupassen. Dies kann die Einführung neuer Organisationsstrukturen, die Optimierung von Arbeitsabläufen oder die gezielte Weiterbildung von Mitarbeitern umfassen. Der Fokus liegt darauf, die Praxis nicht nur kurzfristig zu verbessern, sondern sie langfristig resilient und wettbewerbsfähig zu machen.

Ein Weckruf für die Ärzteschaft

Die Diskussion über äußere Rahmenbedingungen wie Inflation und Honorarpolitik wird nicht verschwinden – und sie ist auch wichtig. Doch sie darf nicht den Blick dafür verstellen, dass Praxisinhaber selbst über erhebliche Gestaltungsspielräume verfügen. Die unternehmerische Eigenverantwortung, gemessen an der Umsetzung des Best Practice Standards, ist der Hebel, mit dem sich die Effizienz steigern und wirtschaftlicher Erfolg sichern lässt.

Der notwendige Wandel beginnt mit einem Umdenken – mit einem Rethinking, das veraltete Denkmuster durchbricht und Raum für Innovationen schafft. Ärzte, die diesen Weg einschlagen, positionieren sich nicht nur als exzellente Mediziner, sondern auch als strategische Unternehmer. Sie machen ihre Praxis fit für die Herausforderungen der Gegenwart und die Chancen der Zukunft – und setzen damit neue Standards für eine nachhaltige, effiziente und erfolgreiche Praxisführung.

Weiterführende Literatur

Unternehmerische Eigenverantwortung bezieht sich auf das gesamte Praxismanagement. Wie man ihr nachkommen kann, zeigt die Publikation:

Thill, K.-D.: Das Benchmarking des Praxismanagements für Haus- und Fachärzte: Methode, Anwendung und Nutzen, Neobooks, 2024 oder als PDF-Download

Reflect. Analyze. Advance.
Reflect. Analyze. Advance.

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