Rethinking: Wie das Betriebsklima den wirtschaftlichen Praxiserfolg beeinflusst

Worum es geht

In der unternehmerischen Praxis von Arztpraxen spielt die Qualität des Betriebsklimas selten eine zentrale Rolle. Vielmehr wird es als eine schwer greifbare, kaum beeinflussbare Größe betrachtet – ein Phänomen, das von der individuellen Tagesform der Mitarbeitenden abzuhängen scheint. An manchen Tagen herrscht Harmonie und Produktivität, an anderen wiederum gereizte Stimmung und Spannungen – so die verbreitete Auffassung. Doch hinter dieser scheinbaren Unberechenbarkeit verbirgt sich eine systematische Dynamik, die tief in die Struktur und Führung einer Praxis eingebettet ist.

Was viele Praxisinhaber übersehen: Das Betriebsklima ist kein Zufallsprodukt, sondern ein direkter Treiber für Effizienz, Produktivität und Patientenzufriedenheit. Es beeinflusst nicht nur die Qualität der Zusammenarbeit innerhalb des Teams, sondern auch den äußeren Eindruck, den die Praxis auf ihre Patienten hinterlässt. Schlechte Stimmung unter den Mitarbeitenden schlägt sich unweigerlich in einer distanzierten oder angespannten Atmosphäre gegenüber den Patienten nieder – ein Faktor, der langfristig über den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg einer Praxis mitentscheidet.

Betriebsklima und Patientenzufriedenheit: Eine untrennbare Verbindung

Empirische Vergleiche aus Praxismanagement-Betriebsvergleichen zeigen ein eindeutiges Muster: Sinkt die Qualität des Betriebsklimas, so fällt auch die Patientenzufriedenheit proportional. Positiv: Es zeigt sich aber auch das Umgekehrte – eine bewusste Verbesserung des Betriebsklimas führt zu einer spürbaren Steigerung der Zufriedenheit auf Patientenseite. Diese Wechselwirkung ist weit mehr als eine vage Hypothese: Sie beruht auf der fundamentalen Erkenntnis, dass ein positives internes Umfeld die Basis für einen professionellen und wertschätzenden Umgang mit den Patienten bildet.

Das Problem liegt darin, dass viele Haus- und Fachärzte die Qualität des Betriebsklimas systematisch überschätzen. Während Praxisinhaber das Klima ihrer eigenen Praxis im Durchschnitt mit 64 % bewerten (100 % = Optimum) – entsprechend der Betriebsvergleichs-Kategorie „gutes Betriebsklima“ –, fällt die Einschätzung der Mitarbeitenden mit 49 % deutlich nüchterner aus. Dieser Wert liegt in der „Risikozone“ und deutet auf eine instabile und latent problematische Stimmung hin. Die Differenz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung ist bezeichnend: Ärzte neigen dazu, den emotionalen Zustand ihrer Teams durch eine optimistische Brille zu betrachten und unterschätzen die täglichen Herausforderungen und Belastungen, mit denen ihre Mitarbeitenden konfrontiert sind.

Betriebsklima als Führungsaufgabe: Wunschdenken vs. Realität

Die weitverbreitete Annahme, dass das Betriebsklima primär von der Laune der Mitarbeitenden abhängt, offenbart eine fundamentale Fehleinschätzung. Tatsächlich ist seine Qualität in erster Linie das Ergebnis einer professionellen Führung und Organisation. Ein klar strukturierter, wertschätzender und motivierender Führungsstil schafft ein stabiles Arbeitsumfeld, das selbst an stressigen Tagen für Verlässlichkeit und emotionale Sicherheit sorgt.

Praxisinhaber, die sich der Bedeutung dieses Zusammenhangs bewusst sind, investieren gezielt in die Optimierung ihrer Führungs- und Organisationsstrukturen – mit messbaren Erfolgen. Denn Best-Practice-Analysen zeigen: Wo ein klares Führungskonzept etabliert ist, wo Kommunikation offen und wertschätzend geführt wird und wo Mitarbeitende aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden sind, ist ein dauerhaft positives Betriebsklima die natürliche Folge.

Rethinking Betriebsklima: Von Instabilität zu Exzellenz mit der R2A-Formel

Um das Betriebsklima nicht nur als abstrakten Wohlfühl-Faktor, sondern als strategische Variable des Praxiserfolgs zu begreifen, braucht es ein Umdenken – ein Rethinking der unternehmerischen Eigenverantwortung. Dabei reicht es nicht aus, sporadisch positive Impulse zu setzen oder auf spontane Verbesserungen zu hoffen. Vielmehr geht es darum, mit einem systematischen Ansatz nachhaltige Veränderungen zu bewirken.

Das R2A-Modell – Reflect, Analyze, Advance – bietet hier eine praxisnahe Strategie, die auf der Basis eines Benchmarkings der eigenen Führung mit dem Best Practice-Standard beruht. Der Standard beschreibt als validierte Leitlinie alle Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen, die für eine auch unter wechselnden Anforderungen reibungslos funktionierende Arbeit unerlässlich sind:

  • Reflect: Die eigene Praxisführung kritisch hinterfragen. Wie erleben die Mitarbeitenden das Klima? Welche Strukturen fördern oder hemmen ein produktives und wertschätzendes Umfeld?
  • Analyze: Praxisinterne Muster erkennen. Welche Führungsmechanismen beeinflussen das Teamverhalten? Wo gibt es strukturelle Schwächen? Wie unterscheidet sich die Eigenwahrnehmung von der realen Mitarbeitenden-Perspektive?
  • Advance: Best-Practice-Prinzipien implementieren. Transparente Kommunikation etablieren, klare Rollen und Verantwortlichkeiten definieren, wertschätzendes Feedback verankern – und das Betriebsklima nachhaltig optimieren.

Ein bewusstes und strategisches Management des Betriebsklimas ist keine Luxusmaßnahme, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Denn eine Arztpraxis ist mehr als ein Ort medizinischer Versorgung – sie ist ein lebendiges Ökosystem aus Menschen, deren Zusammenarbeit über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Und wer diese Dynamik versteht, steuert nicht nur sein Team, sondern auch den langfristigen Erfolg seiner Praxis mit Weitblick und strategischem Geschick.

Weiterführende Literatur

Thill, K.-D.: Benchmarking des Praxismanagements für Haus- und Fachärzte: Methode, Anwendung und Nutzen, Neobooks, 2024 oder als PDF-Skript: https://bit.ly/43qoK9C