Worum es geht
Praxisinhaber und Medizinische Fachangestellte in Haus- sowie Facharztpraxen überschätzen die von ihnen realisierte Betreuungsqualität im Durchschnitt um 30%.
PCQS und ePCQS im Vergleich
Der Praxismanagement-Betriebsvergleich© ist eine validierte Methode, die Leistungsfähigkeit der Betriebsführung einer Haus- oder Facharztpraxis und ihre Effekte qualitativ zu beschreiben, zu messen, zu analysieren, zu steuern und perspektivisch zu entwickeln. Eine der durch dieses System ermittelten Kennziffern (Key Performance Indikatoren, KPI) ist der Patient Care Quality Score (PCQS). Er definiert die empfundene Betreuungsqualität aus dem prozentualen Verhältnis der durch die Arbeit der Praxisteams erreichten Patientenzufriedenheit zu den Anforderungen der Praxisbesucher.
Parallel werden Praxisinhaber und Medizinische Fachangestellte nach ihrer Einschätzung gefragt, wie ausgeprägt sie ihrer Ansicht nach die Patientenanforderungen mit ihrem Arbeitseinsatz erfüllen (Estimated Patient Care Quality Score, ePCQS).
Ein eindeutiges Resultat
Eine repräsentative Querschnittsanalyse der Betriebsvergleichs-Resultate zeigt: schätzen Praxisinhaber und Medizinische Fachangestellte ihrer Betreuungsqualität im Mittel mit einem Wert von 89% ein, liegt die Realität im Durchschnitt lediglich bei 57%.
Das Ergebnis macht deutlich, dass das in vielen Arztpraxen etablierte Mindset: „Wir kennen unsere Patienten.“, in seiner Uneingeschränktheit nicht zutrifft.
Die unliebsamen Konsequenzen
Das Zerrbild, der eigenen Leistungsfähigkeit führt für Ärzte und Medizinische Fachangestellte zu „blind spots“ und in eine Situation, in der die Praxistätigkeit sowohl strategisch als auch operativ in Teilen falsch ausgerichtet wird, denn
- Fehler werden übersehen
- Kritik verliert ihre Handlungsrelevanz
- Prioritäten und Ressourcen werden falsch gesetzt und eingesetzt
- Warnsignale bleiben unerkannt
- Veränderungen und Trends sind nicht identifizierbar.
Insgesamt entsteht eine Atmosphäre der Sorglosigkeit und Unaufmerksamkeit, aus der sich unmerklich eine betriebsstrategische Instabilität entwickelt. Das ist deshalb so dramatisch, da sich infolge des gesellschaftlichen Wandels die Anforderung sowie die Zufriedenheitskriterien von Patienten in einem immer schnelleren Turnus verändern.
Die Gründe für die Überschätzung
Einer der Gründe für die ermittelte Überschätzung liegt in der Dominanz des „Bauchgefühls“ sowie im geringen Stellenwert von Patientenbefragungen und ihrer Ergebnisse, die – sind sie negativ – gerne als Einzelfälle deklariert werden. Dahinter steht eine stark auf die Suche nach Verantwortlichkeiten und die Ahndung statt Beseitigung von Fehlern ausgerichtete Praxiskultur. Diese geringe Einsatz-Intensität von Befragungen führt dazu, dass sich Ärzte und Personal ihr eigenes subjektives und leider falsches Bild über die Zufriedenheits-Realität machen. Nicht erkannt wird, dass professionell umgesetzte Patientenbefragungen die Erkenntnisse „kleiner Praxisanalysen“ liefern.
Werden Analysen durchgeführt, kommt oft die falsche Methodik zum Einsatz, sodass die Patienten-Zufriedenheitsrealität nicht adäquat ermittelt wird. Gerade die Verwendung der Schulnoten-Skalierung liefert Resultate, die viel zu positiv sind und Praxisteams in die Irre führen.
Darüber hinaus sind Arztpraxen „emotionale Wüsten“, da Ärzte als Lob-Muffel und Tadel-Verschwender agieren. Positive Signale der Patienten werden von den Mitarbeiterinnen wie Facebook-Likes empfunden, denn sie sichern sich hierdurch ihr „emotionales Überleben“. Gleichzeitig blenden sie alles Unliebsame aus und auch auf diese Weise entsteht ein völlig falscher Eindruck über die Patientenzufriedenheit.