Rethinking: Wie fehlende unternehmerische Eigenverantwortung von Haus- und Fachärzten das Gesundheitssystem belastet (THOR5008)

Worum es geht

Die ärztliche Profession in Deutschland steht seit jeher auf einem Fundament der Kompetenz und des Vertrauens. Haus- und Fachärzte sind nicht nur Diagnostiker und Therapeuten, sondern auch Anker des Gesundheitswesens und Garanten der medizinischen Versorgung. Doch jenseits der fachlichen Expertise offenbart sich eine gravierende Schwäche, die weitreichende Konsequenzen für die Versorgungsqualität und die Stabilität des Gesundheitssystems hat: die oft unzureichende Übernahme unternehmerischer Eigenverantwortung. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf die einzelne Praxis, sondern zieht Kreise, die das gesamte Gesundheitssystem beeinflussen.

Das fehlerhafte Selbstverständnis der Ärzteschaft

Die Rolle des niedergelassenen Arztes ist untrennbar mit der Verantwortung verbunden, eine medizinische Einrichtung erfolgreich zu führen. Dennoch fokussieren sich viele Ärzte auf ihre medizinische Kernkompetenz und vernachlässigen dabei die betriebswirtschaftliche und strategische Dimension ihrer Tätigkeit. Praxismanagement-Betriebsvergleiche zeigen, dass etwa zwei Drittel der Ärzteschaft hiervon in unterschiedlicher Ausprägung betroffen sind. Diese Prioritätensetzung ist verständlich, aber kurzsichtig, denn die Praxis ist nicht nur ein Ort der Heilung, sondern auch ein Unternehmen, das effizient geführt werden muss, um langfristig Bestand zu haben.

Ein Arzt, der in seiner Praxis ausschließlich als medizinischer Experte agiert, blendet die Realität aus, dass Entscheidungen im organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Bereich die Versorgungsqualität unmittelbar beeinflussen. Etwa, wenn eine ineffiziente Terminplanung zu langen Wartezeiten führt oder die mangelnde Investition in moderne Medizintechnik notwendige Diagnosen verhindert.

Die unmittelbaren Folgen für die einzelne Praxis

Die fehlende Übernahme von unternehmerischer Eigenverantwortung führt in der Praxis zu einer Reihe von Problemen, die die Betreuungsqualität der Patienten signifikant mindern können.

1. Mangel an strategischer Weitsicht

Ohne ein klares Konzept für die Entwicklung der Praxis stehen Ärzte oft vor unbewältigten Herausforderungen, etwa bei der Integration neuer Technologien oder der Anpassung an sich verändernde Patientenerwartungen. Dies resultiert in stagnierenden oder ineffizienten Strukturen.

2. Unzureichende Ressourcen-Nutzung

Ein Arzt, der sich nicht aktiv mit Personalführung, Prozessmanagement oder finanzieller Planung beschäftigt, riskiert Überlastung seiner Mitarbeiter, suboptimale Abläufe und finanzielle Engpässe. Diese Faktoren schränken die Kapazität der Praxis ein und verschlechtern die Betreuung der Patienten.

3. Fehlende Innovationsbereitschaft

Wer sich scheut, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, neigt dazu, auf bewährte, aber veraltete Methoden zu setzen. Die Innovationskraft der Praxis leidet, und Patienten profitieren nicht von Fortschritten, die ihre Versorgung verbessern könnten.

Die systemischen Konsequenzen für das Gesundheitswesen

Die Problematik wird noch gravierender, wenn man die aggregierte Wirkung fehlender Eigenverantwortung auf die Ärzteschaft und das Gesundheitssystem betrachtet, das ein eng verflochtenes Netzwerk ist, in dem jede ineffiziente Praxis nicht nur für sich allein kämpft, sondern auch Belastungen für andere Akteure erzeugt.

1. Ressourcen-Verschwendung und Ineffizienz

Fehlende unternehmerische Steuerung in Praxen führt zu unnötigen Kosten, etwa durch ineffiziente Prozessgestaltung oder vermeidbare Fehler. Diese Kosten tragen nicht nur die einzelnen Praxen, sondern belasten über Honorarsysteme und Krankenkassen das gesamte System.

2. Engpässe in der Patientenversorgung

Ineffizient arbeitende Praxen können weniger Patienten behandeln, was zu längeren Wartezeiten führt und die Versorgungslage, insbesondere in strukturschwachen Regionen, verschärft. Die Überlastung anderer Praxen oder Kliniken ist eine direkte Folge.

3. Blockierung von Innovationen im System

Haus- und Fachärzte sind essenziell, um Innovationen – von digitalen Lösungen bis hin zu neuen Versorgungsmodellen – zu etablieren. Ihre passive Haltung in unternehmerischen Fragen bremst jedoch den Fortschritt, der im System dringend notwendig wäre, um den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft zu begegnen.

4. Erosion des gesellschaftlichen Vertrauens

Patienten, die in ineffizienten oder stagnierenden Praxen betreut werden, verlieren das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Systems. Dies kann zu einer Abkehr vom niedergelassenen Bereich und einer Überlastung der Kliniken führen – ein Trend, der bereits heute spürbar ist.

Psychologische und strukturelle Hintergründe der Problematik

Die mangelnde Übernahme von unternehmerischer Eigenverantwortung hat tieferliegende Gründe, die sowohl auf individueller als auch systemischer Ebene zu suchen sind.

  • Individuelle Faktoren: Viele Ärzte fühlen sich durch ihre medizinische Ausbildung nur unzureichend auf die betriebswirtschaftlichen Anforderungen vorbereitet. Zudem spielen psychologische Barrieren wie die Angst vor Fehlern oder der Verlust der medizinischen Identität eine Rolle.
  • Systemische Faktoren: Die Strukturen des deutschen Gesundheitssystems bieten wenig Anreize für strategisches Denken. Die Vergütung erfolgt oft unabhängig von der Effizienz der Praxisführung, und es mangelt an klaren Vorbildern oder Unterstützungssystemen, die unternehmerisches Handeln fördern.

Ein Weg aus der Krise: Rethinking als Lösungsansatz

Die Lösung liegt in einem Paradigmenwechsel, der Ärzte befähigt, ihre Rolle neu zu definieren. Mit dem Rethinking-Ansatz, insbesondere der R2A-Methode (Reflect. Analyze. Advance.), können Ärzte lernen, ihre Praxis nicht nur als Ort der Prävention und Kuration, sondern auch als Unternehmen zu betrachten:

  • Reflect: Ärzte reflektieren ihre Denk- und Verhaltensmuster anhand des Best Practice-Standards der Praxisführung, um die Bedeutung unternehmerischer Verantwortung zu erkennen.
  • Analyze: Über den Vergleich lassen sich die konkreten Auswirkungen des aktuellen Praxismanagements analysieren, um Handlungsbedarfe und Chancen zu identifizieren.
  • Advance: Ärzte entwickeln und implementieren auf der Basis der Empfehlungen aus dem Best Practice-Benchmarking Strategien, die sowohl die medizinische als auch die organisatorische Qualität ihrer Praxis nachhaltig verbessern.

Fazit

Die fehlende unternehmerische Eigenverantwortung von Haus- und Fachärzten ist mehr als ein individuelles Problem – sie ist ein systemisches Risiko, das die Qualität der medizinischen Versorgung und die Stabilität des Gesundheitssystems gefährdet. Ein Umdenken ist dringend erforderlich. Ärzte müssen ihre Rolle erweitern und lernen, die Praxisführung als integralen Bestandteil ihrer Tätigkeit zu begreifen. Mit den richtigen Ansätzen und Tools kann dieser Wandel gelingen – zum Wohl der Patienten, der Praxen und des gesamten Systems.

Reflect. Analyze. Advance.
Reflect. Analyze. Advance.

Weiterführende Literatur

Thill, K.-D.: Das Benchmarking des Praxismanagements für Haus- und Fachärzte: Methode, Anwendung und Nutzen, Neobooks, 2024 oder als PDF-Download

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