Worum es geht
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat ein neues Paradigma eingeläutet, in dem Patienteninformation und -betreuung über traditionelle Praxisgrenzen hinausgehen. Niedergelassene Ärzte stehen heute vor der Herausforderung, ihren Patienten qualitativ hochwertige Online-Ressourcen wie z. B. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu empfehlen, ohne jedoch dabei ihre professionelle Rolle zu überschreiten.
Medizinische Empfehlungen: Die Rolle des Arztes
Die Hauptverantwortung eines Arztes liegt in der Diagnosestellung und der darauf aufbauenden Therapieentscheidung. Dies umfasst das Erklären der Erkrankung, das Aufzeigen von Behandlungsoptionen und die individuelle Therapieplanung. Ärzte dürfen und sollten in diesem Kontext ihre Patienten über vertrauenswürdige Internet-Quellen aufklären, die ihnen zusätzliche Informationen zu ihrem Krankheitsbild liefern. Hierbei geht es jedoch vorrangig darum, das Verständnis und die Compliance der Patienten zu erhöhen. Beispiele für derartige medizinische Empfehlungen sind:
- Verweise auf offizielle Gesundheitsportale
- Empfehlungen von patientenorientierten Leitlinien-Websites
- Hinweise auf Selbsthilfegruppen und Foren für den Erfahrungsaustausch.
Technische Hilfestellung: Hier hört die Beratung auf
Nicht zur medizinischen Expertise zählen jedoch technische Hilfestellungen. Es ist nicht Aufgabe von Haus- und Fachärzten, Patienten in der Handhabung von Websites oder Apps zu schulen bzw. technische Fragen zu klären. Dieses Thema ist besonders in Zusammenhang mit den DiGA aktuell. Derartige Lösungen, die von Ärzten verordnet werden können, müssen klar definierte medizinische Zwecke erfüllen. Die Empfehlung einer solchen Anwendung durch den Arzt ist Teil der Therapie. Die technische Umsetzung und Nutzungshilfe obliegt den Patienten selbst oder falls erforderlich, einem spezialisierten Support-Team der DiGA.
Die Gründe
hierfür sind vielschichtig und reichen von der Gewährleistung der Qualität der Patientenversorgung bis hin zur Optimierung der Praxisabläufe.
➡️ Komplexitäts-Reduktion
Ärzte sind Experten im Bereich der Gesundheitsversorgung, nicht unbedingt im Bereich der Informationstechnologie. Indem sie sich auf die medizinischen Aspekte der DiGA konzentrieren, reduzieren sie die Komplexität der Materie für sich selbst und verwesen nicht die Qualität der Patientenberatung .
➡️ Patientenvertrauen stärken
Patienten suchen medizinischen Rat bei ihren Ärzten, weil sie Vertrauen in deren medizinische Expertise haben. Durch die Konzentration auf medizinische Informationen verstärken Ärzte dieses Vertrauen und sorgen dafür, dass Patienten die digitalen Anwendungen als Erweiterung ihrer herkömmlichen medizinischen Versorgung wahrnehmen. Ein geringeres technisches Wissen konterkariert die Vertrauensbildung.
➡️ Klare Verantwortlichkeiten
Technische Informationen sollten ausschließlich von den Anbietern bereitgestellt werden, da diese über das notwendige Fachwissen verfügen. Dies sorgt für klare Zuständigkeiten und hilft, mögliche Haftungsrisiken für Ärzte zu vermeiden.
➡️ Effiziente Nutzung der Sprechstunde
Die Zeit in der Sprechstunde ist begrenzt. Ein Fokus auf medizinische Inhalte ermöglicht es Ärzten, ihre Zeit effizient zu nutzen und die Sprechstundenkapazitäten optimal auszuschöpfen.
➡️ Förderung der Akzeptanz und Adhärenz
Wenn Ärzte ihre Gesprächszeit nutzen, um die Vorteile der DiGA klar zu kommunizieren und aufzuzeigen, wie diese zur Behandlung beitragen können, fördern sie damit die Akzeptanz und Adhärenz bei den Patienten. Technische Aspekte lenken hingegen hiervon ab.
➡️ Aktualität der Informationen
Die schnelle Weiterentwicklung digitaler Anwendungen führt dazu, dass technische Informationen rasch veralten. Anbieter sind in der Pflicht, aktuelle Informationen bereitzustellen und so sicherzustellen, dass Patienten stets auf dem neuesten technischen Stand sind.
➡️ Qualitätssicherung
Durch eine klare Trennung der medizinischen und technischen Beratung können Qualitätssicherungs-Prozesse spezifischer und effektiver gestaltet werden, wobei jede Partei sich auf ihren Expertise-Bereich konzentriert.
➡️ Fortbildung und Support
Die Anbieter von DiGA bieten ohnehin entsprechende Schulungen und Support-Strukturen an, damit bei technischen Fragen eine schnelle und fachgerechte Unterstützung gewährleistet ist. Damit entfällt diese Aufgabe für Ärzte automatisch und Patienten können entsprechend verwiesen werden.
Fazit
Die Grenze zwischen medizinischer Empfehlung und technischer Hilfestellung liegt dort, wo die fachliche Kompetenz des Arztes endet und die technische Umsetzung beginnt. Ärzte sollten sich auf ihre Rolle als medizinische Experten konzentrieren und Patienten an die entsprechenden technischen Dienstleister oder Support-Teams verweisen, wenn es um die Nutzung digitaler Tools geht. Die Herausforderung liegt darin, die Balance zwischen dem Bereitstellen wertvoller medizinischer Information und dem Vermeiden einer Rollenüberschreitung zu finden.