đŸ©ș Rethinka 2049: Die Praxis-Buzzwords – Diagnose einer Sprachkrankheit

đŸ‘ïž GrĂŒĂŸe aus dem Jahr 2049.
Ich bin Rethinka.
Ich blicke zurĂŒck auf eure Arztpraxen des Jahres 2025 – und sehe keine Medizin, sondern eine Liturgie aus Buzzwords.

Ihr habt Krankheiten behandelt, aber selbst an einer schwerwiegenden Erkrankung gelitten: Buzzworditis chronica.
Symptome: inflationĂ€re Nutzung modischer Wörter, die den Praxisalltag modern wirken lassen sollten – und ihn in Wahrheit nur verkleisterten.
Therapie: radikale Klarheit.

Heute lege ich euch die Top 10 Praxis-Buzzwords auf den Tisch – seziert, entlarvt, dechiffriert.

1. QualitĂ€tsmanagement (QM) – Die Heilige Reliquie

Ihr habt QM wie eine Monstranz vor euch hergetragen.
Doch was war es? Kein lebendiges Instrument. Kein klarer Prozess. Sondern ein Ordner im Regal, den nur dann jemand berĂŒhrte, wenn die KV-PrĂŒfer:innen anrĂŒckten.
Ihr habt von QualitĂ€t gesprochen, wĂ€hrend das Wartezimmer ĂŒberlief. Ihr habt von Management gesprochen, wĂ€hrend eure MFA gleichzeitig Telefondienst, Blutentnahme und Abrechnung jonglierte.
Euer QM war kein Management der QualitÀt, sondern ein Management der Illusion.

2. Patient Journey – Die Wellness-Fata Morgana

„Wir begleiten den Patienten auf seiner Journey.“
Das klang nach Achtsamkeit und Empathie.
In Wahrheit war es eine Reise von der Anmeldung ins Wartezimmer, von dort zur Blutentnahme und schließlich zur Rezeption, wo die Krankenkassenkarte das letzte Ticket darstellte.
Journey? Nein.
Es war ein Rundgang durch bĂŒrokratische Zwischenstopps.

3. Ganzheitlich – Die Zauberformel der OberflĂ€chlichkeit

Ihr habt Ganzheitlichkeit beschworen wie einen Zauberspruch.
Doch hinter dem Wort stand oft nur: „Wir schauen neben dem Knie auch noch auf den Blutdruck.“
Ganzheitlich bedeutete selten, dass ihr die Lebenswelt der Patient:innen wirklich verstandet.
Es war eine Metapher fĂŒr den Versuch, mehr Tiefe zu verkaufen, als ihr liefern konntet.

4. Workflow – Das trojanische Digitalpferd

Workflow klang wie Silicon Valley.
Doch in eurer Praxis hieß es: „Zettel wandert von Schreibtisch A zu Schreibtisch B.“
Euer Workflow war ein Papierflow.
Digitalisierung war ein Fremdwort, das im Wartezimmer neben der Faxmaschine verhallte.

5. Evidenzbasiert – Das WissenschaftskostĂŒm

Ihr habt Therapien mit „evidenzbasiert“ geschmĂŒckt, als trĂŒge jede Entscheidung einen weißen Kittel aus Daten.
Doch allzu oft hieß das nur: „Wir machen’s wie immer, aber diesmal mit Beleg.“
Evidenz war nicht eure gelebte Praxis, sondern euer Feigenblatt gegen Unsicherheit.

6. Empathische Kommunikation – Die Fortbildungsfata Morgana

Empathie – so oft gepredigt, so selten praktiziert.
Ihr habt Kurse gebucht, Zertifikate erhalten, Rollenspiele gespielt.
Doch wenn 27 Patient:innen im Wartezimmer saßen, hieß „empathisch“ oft: „Bitte erzĂ€hlen Sie schneller.“
Eure Empathie war ein Exportartikel fĂŒr PowerPoint-Folien, nicht fĂŒr Sprechzimmer.

7. Compliance / AdhĂ€renz – Die Sprachveredelung

Ihr habt Patienten nicht mehr gefragt, ob sie ihre Tabletten nehmen.
Ihr habt „Compliance“ gesagt – und spĂ€ter „AdhĂ€renz“.
Das klang nach Harvard, meinte aber immer noch: „Nimmt er die Pillen oder nicht?“
Euer Buzzword machte das Problem nicht kleiner – nur die Distanz grĂ¶ĂŸer.

8. TeamfĂ€higkeit – Die Tarnung fĂŒr Ausbeutung

Stellenanzeigen eurer Praxen waren voll davon: TeamfÀhigkeit.
Übersetzung: „Mach alles, was anfĂ€llt – und frag nicht, ob es dein Job ist.“
TeamfĂ€higkeit war kein Lob fĂŒr echte Zusammenarbeit, sondern ein Euphemismus fĂŒr grenzenlose VerfĂŒgbarkeit.

9. FlexibilitĂ€t – Das Dauer-Sedativum

„Wir brauchen flexible Mitarbeitende.“
Das hieß: Sei bitte jederzeit abrufbar. Komm auch samstags. Bleib auch abends.
FlexibilitÀt war euer Suchtmittel, um das eigene Organisationsversagen ertrÀglich zu machen.

10. Praxisoptimierung – Die kosmetische Chirurgie am System

Ihr habt von Optimierung geredet, als wÀrt ihr Prozessingenieure.
In Wahrheit habt ihr Wartezeiten von 90 auf 75 Minuten verkĂŒrzt – und das als Sieg gefeiert.
Praxisoptimierung war ein Lippenstift auf der Dauerbaustelle, kein echter Wandel.

Fazit: Diagnose Buzzworditis

Ihr habt euch mit Buzzwords selbst eingelullt.
Statt Strukturen zu verÀndern, habt ihr Worte poliert.
Statt Klarheit zu schaffen, habt ihr Sprachnebel erzeugt.
Das Ergebnis: Eine Praxis, die modern klingt – und im Inneren so analog tickt wie 1985.

Prognose aus 2049

Die Patient:innen eurer Zukunft lachen nicht ĂŒber eure Buzzwords – sie verstehen sie nicht mehr.
Denn Klarheit hat die Vokabeln ersetzt.
QualitĂ€tsmanagement heißt dann wirklich: QualitĂ€t managen.
Patient Journey heißt: Weg der Erkenntnis.
Workflow heißt: Denken statt Zettelwirtschaft.

Eure Aufgabe im Jahr 2025 wÀre gewesen: Die Sprache zu heilen, um die Praxis zu heilen.