Praxismanagement: Das unterschätzte Diskretions-Problem

Worum es geht

Ein Gestaltungsaspekt des Praxismanagements, der in Fachdiskussionen und -beiträgen eher selten thematisiert wird, ist die Diskretion im Umgang mit Patienten-Informationen bzw. das Fehlen dieser Komponente:

  • Medizinische Fachangestellte sprechen mit Patienten am Empfang über deren Erkrankungen und achten nicht darauf, dass wartende Praxisbesucher mithören können,
  • Praxisinhaber führen medizinische Kurz-Beratungen auf dem Gang durch,
  • Praxisräume besitzen nur einen geringen Schallschutz, sodass Patienten Krankengeschichten, Diagnosen und Therapie-Empfehlungen aus dem Nebenzimmer mitbekommen.

Patienten reagieren messbar verärgert

Die Rückmeldung der Patienten zu derartigen Situationen in Zufriedenheits-Befragungen ist eindeutig:

  • der Patient Care Quality Score (PCQS, die Zufriedenheit der Patienten mit Praxis-Leistungsmerkmalen in Relation zu den Anforderungen, Optimum: 100%) der Diskretion liegt derzeit über alle Fachgruppen betrachtet bei 16% (Optimum: 100%),
  • gleichzeitig ist die Beschwerde-Häufigkeit über dieses Praxismanagement-Leistungsmerkmal deutlich gestiegen: in 2/3 der Fragebögen finden sich bei den Freitext-Angaben kritische Hinweise auf fehlende bzw. nachzubessernde Vertraulichkeit.

Praxisteams reagieren mit Unverständnis

Die Werte zeigen, dass die häufiger artikulierte Kritik zu keiner Veränderung in den Praxen geführt hat. „Es geht eben nicht anders!“, kommentieren die meisten Ärzte und Mitarbeiterinnen die mangelnden Diskretions-Vorkehrungen in ihren Praxen. „Ich kann doch nicht nach jedem Patienten die Tür schließen oder bei jedem Telefonat um mich sehen, ob auch niemand in Hörweite ist!“, kommentiert eine Praxismanagerin die Situation in ihrem Betrieb.

Patienten argumentieren verändert

Wenn Patienten sich über mangelnde Diskretion beschweren, hatte das bislang einen sehr privaten Grund: man möchte nicht, dass Fremde Informationen über die eigenen Lebensumstände und Erkrankungen erhalten, denn das ist unangenehm, vielleicht sogar peinlich.

Seit gut zwei Jahren hat sich die Argumentation jedoch verändert: Patienten beschweren sich nicht nur häufiger über fehlende Diskretion, sondern führen nunmehr auch verstärkt das Argument des Datenschutzes an. Damit rückt das Problem von der emotionalen auf eine sachliche Ebene. Dieser Wandel ist Ausdruck eines Bestrebens, den Wunsch nach Diskretion mit mehr Nachdruck zu versehen, denn der Datenschutz-Aspekt ist von der Bedeutung und Tragweite weitaus höher angesiedelt als das emotionale Befinden, er gilt uneingeschränkt und ist unantastbar.

Praxis-Teams sollten aktiv werden

Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit in Bezug auf Patienten-Informationen ist zum einen eine juristische Anforderung, denn die ärztliche Schweigepflicht ist in der Rechtsordnung gleich mehrfach fixiert. Überdies sind Praxisbetriebe nach dem Bundesdatenschutzgesetz verpflichtet, sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen zu treffen, um den Schutz von personenbezogenen Daten sicherzustellen. Zum anderen beeinflusst die Wahrung der Privatsphäre als Leistungsmerkmal einer „guten Arztpraxis“ immer mehr den Erfolg von Patientenbindung und -gewinnung, ist also auch ein Marketing-Instrument.
Bei detaillierter Analyse, mit etwas Goodwill und Selbstdisziplin lässt sich die Diskretion in den meisten, auch räumlich kleineren Praxen deutlich steigern. Einfache Mittel sind z. B. die Einrichtung einer Diskretionszone am Empfang oder ein Schild mit der Bitte, die Wartezimmer-Türe stets zu schließen, aber auch ein Bestellsystem, das Warteschlangen vermeidet.

Weiterführende Informationen

zum Thema und praktische Lösungsmöglichkeiten beinhaltet das E-Book „Diskretion“.