Ernst genommen werden: Beispiele für Qualitätskriterien von Arztpraxen aus Patientensicht

Worum es geht

Die Sichtweise von Patienten in Bezug auf Arztpraxen und ihre Leistungen hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Hierbei haben sich auch die Kriterien, anhand derer die Qualität bewertet wird, stark verändert bzw. sie wurden durch neue ergänzt. Ein solcher Maßstab aus der “Top 10” ist, von den behandelnden Ärzten ernst genommen zu werden.

Es geht um Adhärenz

Ein Arzt nimmt einen Patienten ernst, wenn

  • er ihm aufmerksam zuhört,
  • ihn ausreden lässt,
  • mit ihm einen respektvollen Dialog auf Augenhöhe führt,
  • sich interessiert und Verständnis zeigt,
  • berät, statt anzuweisen,
  • Alternativen aufzeigt und
  • gemeinsam mit ihm ein therapeutisches Vorgehen beschließt.

Kurz formuliert: wenn er den Patienten adhärent betreut. Doch hiervon sind Haus- und Fachärzte bislang noch weit entfernt.

Ärzte operieren in Außenbereichen

Bislang ist die Beantwortung der Frage, mit welchem Praxismanagement-Prinzip gleichzeitig der größte medizinische und wirtschaftliche Erfolg erzielbar ist, zwischen zwei Eckpunkten angesiedelt: auf der einen Seite steht die unbedingte und umfassende Patientenorientierung, die zu einer hohen Patientenzufriedenheit und auch zu hervorragenden Behandlungserfolgen führt, aber finanziell für Praxisinhaber nur bedingt tragfähig ist. Der Gegenpol zu diesem Prinzip ist Produktivitäts-optimierte Arztpraxis, deren medizinische Erfolge und Patientenbindung im Fabrik-Charakter (Stichwort „Fließband-Betrieb”) untergehen. Die damit einhergehende, deutlich eingeschränkte Patientenzufriedenheit wird von manchen Praxisinhabern aufgrund des wirtschaftlichen Erfolgs billigend in Kauf genommen. Doch es gibt auch – wie Praxismanagement-Betriebsvergleiche zeigen – eine „Zwischenlösung”, die die therapeutische und wirtschaftliche Optimierung vereinigt.

Der Adhärenz-Ansatz

Das Konzept heißt “Adhärenz-zentriertes Praxismanagement (AZP)”. Es basiert auf der Befähigung der Patienten zu einem aktiven, selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung. Dies geschieht in enger partnerschaftlicher Absprache mit dem behandelnden Arzt unter Einbeziehung aller Kooperationspartner. Der Ansatz bietet AZP-Praxen im Vergleich zu Nicht-AZP-Praxisbetrieben eine ganze Reihe von Vorteilen:

  • Der Adhärenz-Ansatz führt zu deutlich besseren Therapie-Ergebnissen. Die betreuten Patienten sind deshalb zufriedener als in anderen Praxisführungs-Modellen, ihre Fluktuationsquote ist äußerst gering.
  • Pro Patient werden weniger Konsultations-Kontakte benötigt. Zwar steigt der initiale Betreuungs- und Informationsaufwand, dafür sinken aber die Häufigkeit und Intensität der Folge-Kontakte. Hierdurch entstehen spürbare Handlungsspielräume für die Neupatienten-Gewinnung und -betreuung oder das IGeL-Management.
  • Aus den beiden erstgenannten Punkte resultiert eine höhere Weiterempfehlungsbereitschaft der Patienten, die das Praxisimage nachhaltig fördert und für eine kontinuierliche Zunahme neuer Patienten sorgt. Diese wird auch durch eine bessere Online-Reputation in Arzt-Bewertungsportalen und eine höhere Bekanntheit im Einzugsgebiet unterstützt.
  • Das Personal engagiert sich stärker aufgrund der Motivation durch zufriedene Patienten, sodass die Gesamtproduktivität steigt.
  • Diese Vorteile schlagen sich wiederum in einer deutlich besseren Gewinnsituation nieder, die u. a. auch Investitionen in die Entwicklung der Praxis ermöglicht.
  • Knapp 15% der Arztpraxen, über alle Fachrichtungen betrachtet, realisieren diesen Ansatz gegenwärtig. Vor diesem Hintergrund erhalten Praxisinhaber, die dieses Konzept umsetzen, für ihre Betriebe ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal gegenüber konkurrierenden Praxen, ein Aspekt, der primär in wettbewerbsintensiven Innenstadtgebieten von wesentlicher Bedeutung ist.
  • Hinzu kommt: der Adhärenz-Ansatz ist zukunftssicher, da er nicht nur dem Trend der Patientenerwartungen entspricht, sondern auch von den Krankenkassen verfolgt und gefördert wird, denn das AZP ist ein aktiver Beitrag zur Qualitätsverbesserung der Patientenversorgung, sowohl medizinisch als auch ökonomisch.

Checkliste der sieben Aktionsbausteine für eine Adhärenz-fördernde Patientenkommunikation

  • Versuchen Sie, sich in die Lage und Sichtweise Ihrer Patienten zu versetzen und stellen Sie sich vor, wie Sie behandelt werden möchten. Mittels dieses einfachen, aber hocheffizienten Rollenspiels haben schon viele Ihrer Kollegen herausgefunden, wie „gute“ Patientenkommunikation und ablauforganisatorische Aspekte „unter einen Hut“ zu bringen sind.
  • Setzen Sie sowohl verbale und nonverbale Techniken ein, um die Grundvoraussetzung effektiver Patientenkommunikation, nämlich eine positive Gesprächsatmosphäre, zu schaffen und Vertrauen aufzubauen. Seien Sie ein guter Zuhörer und kontrollieren Sie vor allem, ob der Patient auch Ihnen zugehört und alles verstanden hat. Einfaches Kopfnicken ist hierfür ein schlechter Indikator. Führen Sie das Gespräch mit Fragen, um den Antworten nicht nur Informationen für die Behandlung zu entnehmen, sondern auch den Grad des Verständnisses seitens Ihres Gegenübers zu ermitteln.
  • Sichern Sie sich den Respekt Ihrer Patienten, indem Sie selbst auch Ihre Patienten respektieren. Verwerfen Sie deshalb Patientenmeinungen nicht einfach und blocken Sie deren Argumente nicht gleich ab. Dieses Verhalten fördert Ablehnung und schadet zudem Ihrer Souveränität. Versuchen Sie vielmehr, mit Fakten und einfachen Beispielen eine gemeinsame Gesprächsgrundlage zu erreichen. Sprechen Sie ruhig und entspannt, zeigen Sie in der gleichen Weise dem Patienten auch die „Grenzen des Möglichen“, z.B. bei besonderen Verordnungswünschen, auf.
  • Halten Sie sowohl von der Raumausstattung als auch von der Sitzposition her eine „nahe Distanz“, d.h. den richtigen Körperabstand zu Ihrem Gegenüber. Die Kontrolle ist einfach: beobachten Sie die Reaktionen Ihrer Patienten. Lehnt dieser zurück? Dann besteht eine zu große Nähe. Bewegt er sich in Ihre Richtung? Dann wünscht er sich eine größere Nähe und empfindet die Distanz als zu groß.
  • Geben Sie keine Anweisungen, sondern suchen Sie immer die Kooperation des Patienten und bitten Sie ihn direkt darum. Verdeutlichen Sie, dass nur ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen zum Erfolg führt. Stellen Sie immer die Verantwortung des Patienten für sich selbst heraus und verdeutlichen Sie Ihre Rolle als Berater.
  • Gehen Sie auf die Individualität Ihrer Patienten ein und versuchen Sie nicht, Standard-Kommunikationsformen für alle Ihre Gesprächspartner einzusetzen. Verdeutlichen Sie dem zurückhaltenden Patienten, dass ihm nur dann optimal geholfen werden kann, wenn er Ihnen alle notwendigen Informationen bereitstellt. Bitten Sie den redefreudigen Patienten freundlich, aber direkt, auf den Punkt zu kommen.
  • Fixieren Sie Therapieziele und Behandlungsstrategien. Hierdurch geben Sie sich nicht nur selbst einen Anhaltspunkt, sondern vermitteln dem Patienten eine Perspektive, welcher Erfolg mit dem für ihn gewählten Behandlungskonzept angestrebt wird. Legen Sie die möglichen Ziele im Gespräch mit dem Patienten gemeinsam fest. Hierbei werden die Wünsche des Patienten, die ja meistens mit den Zielen des Arztes identisch sind (Beschwerdelinderung oder Beschwerdefreiheit), einbezogen. Das stärkt nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, sondern verbessert gleichzeitig auch die Mitarbeit. Zudem schaffen Sie sich einen größeren “Kritikspielraum”, falls der Patient therapeutische Maßnahmen vernachlässigt. Im Hinblick auf die Festlegung der Behandlungsstrategie eignen sich in Begleitung des Gesprächs die Erstellung eines kurzen schriftlichen Plans sowie die Fixierung von Kontrollterminen, ggf. ergänzt um ein Patienten-Tagebuch.

Information zur Datenbasis

Grundlage der im Beitrag vermittelten Informationen sind die Resultate des validierten und repräsentativen Praxismanagement-Betriebsvergleichs unseres Instituts. Dienen derartige Untersuchungen normalerweise einer Einordnung der wirtschaftlichen Situation von Arztpraxen, bietet ein Management-Betriebsvergleich die Möglichkeit, Art, Intensität und Effekte der Praxisführung den repräsentativen Gegebenheiten der zugehörigen Fachgruppe sowie dem Best Practice-Standard gegenüberzustellen, d. h. denjenigen Regelungen, Instrumenten und Verhaltensweisen, die eine reibungslos funktionierende Praxistätigkeit gewährleisten.

Dadurch werden Stärken, Schwächen, Bedrohungen und Chancen der täglichen Arbeit identifiziert. Im Mittel liefert ein Praxismanagement-Betriebsvergleich PraxisinhaberInnen 40 bislang ungenutzte Ansätze zur Optimierung der Praxisführung.