Teamwork in der Arztpraxis: Die Stolperfallen

Worum es geht

Teamarbeit bietet Praxisinhabern, Mitarbeiterinnen und Patienten eine Vielzahl von Vorteilen. Doch nur in den wenigsten Haus- und Facharztpraxen arbeiten „echte“ Teams. Dieser Beitrag beschreibt, welche Probleme des Praxisalltags aus Sicht Medizinischer Fachangestellter hierzu führen und welche Implikationen für das Praxismanagement ableitbar sind.

Team-Insights

Wer seine Mitarbeiterinnen als Team nachhaltig erfolgreich führen möchte, benötigt Wissen – und keine Annahmen – über folgende Sachverhalte:

  • Team Experience Portfolio (TEP)

Wie sieht das aktuelle Selbstbild der Team-Mitglieder aus, gegliedert in eine Beschreibung der Stärken, Schwächen, Bedrohungen und Chancen als Resultat der bisherigen Kooperations-Erfahrungen?

  • Overal Team Satisfaction (OTS)

Wie bewerten die Mitarbeiterinnen generell ihren Handlungsrahmen im Vergleich mit ihren Anforderungen?

  • Team Harmony Balance (THB)

Wie ausgeprägt ist der Grad der Übereinstimmung unter den Team-Mitgliedern bei der Bewertung ihres Arbeitsrahmens? Die Information kann auch als

Indikator für das teaminterne Konfliktpotenzial herangezogen werden.

  • Teamwork Quality Score (TQS)

Wie weit ist die Kooperationsqualität im Sinne der Umsetzung „echter“ Teamarbeit ausbildet? Oftmals interagieren die Mitgliederinnen nämlich nur als Gemeinschaft, Gruppe oder Zweckverbund.

  • Return on Management (ROM)

Welchen Wirkungseinfluss haben die Teambuilding-Maßnahmen auf die Teamwork-Qualität?

  • Team Development-Optionen (TDO)

Welche Ideen und Anregungen existieren aus Mitarbeitersicht, die dazu beitragen, die Teamarbeit weiter zu verbessern?

TQS-Erkenntnis: in den meisten Praxen arbeiten Gruppen, keine Teams

Untersucht man über alle Fachgruppen und Praxisformen die Zufriedenheit von Medizinischen Fachangestellten mit den Bedingungen der Zusammenarbeit in ihren Betrieben, ergibt sich ein mittlerer Teamwork Quality Score (TQS) von gerade einmal knapp 45% (Optimum: 100%), d. h. dieser wichtige Praxis-Erfolgsfaktor ist nur unzureichend ausgeprägt.

Im Rahmen der KPI-Teamwork-Klassifikation charakterisieren Werte zwischen einem TQS von 40% und 60% die Kooperationsform der Gruppe. Zusammenarbeit, die in diesen Bereich fällt, ist durch eine geringe Synergie der Einzelaktivitäten geprägt: man arbeitet miteinander, aber immer nur in dem Rahmen, der vorgegeben ist. Eigeninitiative oder ein Aushelfen bei Problemen sind eher selten. Die Zusammenarbeit ist zudem häufig durch ungelöste Konflikte geprägt. Zwar strebt jede Medizinische Fachangestellte danach, ihre Aufgaben gut zu erledigen, ein nachhaltiges Engagement zu steter Verbesserung existiert jedoch nicht.

Was Mitarbeiterinnen konkret kritisieren

Der „Kummerkasten“ ist ein kostenfreies Beratungsangebot unseres Instituts für Praxismitarbeiterinnen, das helfen möchte, besonders beeinträchtigende Arbeitssituationen besser zu bewältigen. Im Rahmen der seit mehreren Jahren laufenden Aktion wurden bis lang mehr als 5.000 Anfragen beantwortet. Insgesamt lassen sich aus den Anfragen drei zentrale Problemfelder mit verschiedenen Untergruppen identifizieren, die die Team-Bildung behindern:

Interaktions-Prozesse zwischen Praxisinhabern und ihren Teams (52% der Anfragen):

  • unzureichende Aufteilung und Koordination der Arbeit
  • fehlende Arbeitsziele, unklare Arbeitsaufträge, fehlende Prioritäten
  • geringe Möglichkeit eigenständigen Arbeitens
  • kein Informationsaustausch zwischen Praxisinhabern und Team
  • kaum Lob und Anerkennung, Tadel vor Patienten
  • keine Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge umzusetzen

Konflikte innerhalb der Teams (29% der Anfragen)

  • Ausgrenzung einzelner Kolleginnen wegen teamfeindlicher Verhaltensweisen, Mobbing
  • Auseinandersetzungen zwischen neu eingestellten Kolleginnen und Mitarbeiterinnen mit langjähriger Praxiszugehörigkeit
  • „feindliche Lagerbildung“ in Praxen mit mehreren Ärzten
  • Probleme mit Arzt-Ehefrauen, die in der Praxis mitarbeiten

Probleme mit Patienten (19% der Anfragen)

  • überzogene Ansprüche, primär bei unangemeldetem Erscheinen (z. B. Forderung nach sofortiger Behandlung)
  • Allgemeine Unfreundlichkeit gegenüber dem Personal (z. B. herablassendes Verhalten)
  • „Missbrauch“ der Praxismitarbeiter als „Ärger-Ventil“ (Praxisgebühr, Medikamentenkosten, Leistungseinschränkung der Krankenkassen)

Qualitative Gesamtwertung

Die Resonanz und vor allem die Inhalte der Anfragen sind Beleg für einen hohen Leidensdruck vieler Mitarbeiterinnen, der bei etwa einem Drittel der Anfragerinnen bereits zu tiefergehenden Demotivations-Erscheinungen geführt hat.

Ein Punkt wird bei der Analyse der Anfragen besonders deutlich: mehr als zwei Drittel der beschriebenen Probleme würde es gar nicht geben, wenn die Praxisinhaber mehr Zeit auf Mitarbeiterführung und Team-Bildung“ verwendeten. Bis auf wenige Ausnahmen machten alle Anfragerinnen deutlich, dass sie grundsätzlich gerne in ihren Praxen arbeiten, aber mit den Rahmenbedingungen nicht zurechtkommen. Ein verstärktes Führungsmanagement würde somit nicht nur die Probleme des Personals lösen, sondern gleichzeitig über eine gesteigerte Arbeitszufriedenheit auch die Arbeitsproduktivität und damit den Praxiserfolg deutlich steigern.

Der Handlungsrahmen für Praxisinhaber

Aus den Angaben der Mitarbeiterinnen lässt sich folgender Handlungsrahmen für die Praxisinhaber ableiten:

  • Etablierung einer professionellen Organisation in den Betrieben (wer macht was, wer vertritt wen, wer hat welche Kompetenzen etc.)
  • Definition von Arbeitszielen für die Mitarbeiterinnen (welche Leistung wird erwartet, an welchen Kriterien wird die Leistung beurteilt, welche Fähigkeiten müssen vorhanden sein etc.)
  • Befähigung der Mitarbeiterinnen für die ihnen übertragenen Aufgaben, vollständige Delegation dieser Arbeiten an das Personal, Kontrolle mittels Stichproben
  • regelmäßige Lob- und Kritik-Einzelgespräche zu den Arbeitszielen und ihrem Erreichen
  • Entwicklung von Informationsroutinen innerhalb des Praxisteams (wer muss welche Informationen an wen weitergeben, welche Informationen haben welche Prioritäten)
  • regelmäßige Teambesprechungen, um einen einheitlichen Informationsstand innerhalb des Teams zu erreichen
  • Nutzung motivatorisch wirksamer Instrumente (Erfolgsbeteiligung, Praxisessen, Kinobesuche etc.)
  • Vermeidung von Teamkonflikten durch Entwicklung gemeinsamer Spielregeln im Team (wie wollen wir miteinander umgehen, welche Werte leiten uns etc.)
  • Solidarisierung der Praxisinhaber mit dem Personal gegenüber Patienten (gleiche Sprach- und Handlungsregelung).

Ist Ihr Team ein „echtes“ Team?

Haus- und Fachärzte, die das Erfolgsprinzip „Teamwork“ für ihre Betriebe umfassend nutzen wollen, müssen zunächst den Teamwork-Status ihres Personals kennen. Eine validierte und einfache Möglichkeit ist die Nutzung des Valetudo Check-up© „Teamwork Arztpraxis“, ein Verfahren, das auch deshalb sehr akzeptiert ist, da sich keine Mitarbeiterin „outen“ muss. Die zugehörige Expertise beschreibt dann detailliert, welche Maßnahmen und Instrumente zum Einsatz kommen sollten, falls der Teamstatus noch nicht erreicht ist.