Worum es geht
Zentrales Ziel der digitalen Transformation des Gesundheitswesens ist die Steigerung der Versorgungsqualität. Doch die Erfüllung dieser Zielsetzung scheitert im ambulanten Bereich, wenn nicht gleichzeitig die hier herrschende Praxismanagement-Insuffizienz beseitigt wird.
Praxismanagement, mehr als nur Organisation
Der Begriff „Praxismanagement“ bezeichnet die Gesamtheit aller Regelungen. Instrumente, Maßnahmen und Verhaltensweisen,
- die in den Aktionsbereichen Planung, Organisation, Marktforschung, Führung und Zusammenarbeit, Zeit- und Selbstmanagement, Patientenmanagement, Marketing und Finanzmanagement von Arztpraxen aller Fachrichtungen eingesetzt werden und
- deren Zusammenwirken den Praxisbetrieb gewährleistet.
Das Praxismanagement fungiert als Transmitter der medizinischen ärztlichen Kompetenz und der Tätigkeiten der Medizinischen Fachangestellten in die konkrete Versorgung der Patienten.
Von der Qualität seiner Gestaltung hängt es ab, wie umfassend das Können der Ärzte und die Fähigkeiten des Personals den Patienten in Form umfassender Hilfestellungen zuteilwerden.
Weiterhin bestimmt sie, wie schnell Praxisteams auf Veränderungen jeglicher Art reagieren, diese implementieren und von ihrem Nutzen profitieren können (Beispiel: Digitalisierung).
Funktionieren Arbeits-Strukturen und -Prozesse nicht oder nur unzureichend, spricht man von „Praxismanagement-Insuffizienz“ und digitale Lösungen und Instrumente lassen sich nur schwer implementieren und erbringen keinen nachhaltigen Nutzen für die Praxen.
Bestimmung der digitalen Prädisposition
Vor diesem Hintergrund ist der Best Practice-Standard der Praxisführung, der die für ein auch unter wechselnden Anforderungen reibungslos funktionierendes Praxismanagement notwendigen Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen beschreibt, das geeignete Instrument, um den Grad der Prädisposition von Praxisbetrieben für digitale Anwendungen zu bestimmen (Digitaler Prädispositions-Status DPS).
Der DPS gibt Auskunft darüber, wie ausgeprägt die gegenwärtige Einführungsbereitschaft und -fähigkeit von Arztpraxen für Digital-Angebote ist.
Eine Bestimmung der Prädispositions-Situation deutscher Arztpraxen mithilfe der Ergebnisse des IFABS Betriebsvergleich-Trackers© für haus-, fach- und zahnärztliches Praxismanagement ergab folgende Orientierungs-Werte
Umfassend
Liegt der DPS, d. h. die Erfüllung des Best Practice-Standards über 80%, handelt es sich um Praxen mit einer umfassenden digitalen Prädisposition. Sie verfügen über alle Voraussetzungen für eine systematische und planvolle Implementierung digitaler Konzepte. 12% der deutschen Arztpraxen zählen zu dieser Kategorie.
Entwicklungsfähig
Im DPS-Bereich zwischen 60% und 80% liegen die Betriebe mit einer entwicklungsfähigen Prädisposition (18%). Sie setzen einen Großteil der notwendigen Grundlagen um, einzelne Voraussetzungen fehlen aber noch. Wird dieser Mangel beseitigt, sind sie umgehend in der Lage, digital unterstützt zu arbeiten.
Grenzbereich
Im DPS-Intervall von 40% bis 60% der Best Practice-Umsetzung sind die Arztpraxen mit einer Grenzbereich-Prädisposition angesiedelt. Ein Teil der notwendigen Praxismanagement-Bausteine ist vorhanden, ein ebenso großer nicht. Die betroffenen Praxisteams (39%) müssen zunächst einen systematischen Praxismanagement-Aufbau betreiben, um Digitaltechniken überhaupt nutzen zu können.
Minimum
Ein DPS von unter 40% kennzeichnet Praxen mit minimaler Prädisposition (31%). Ihr Management ist in der gemessenen Konstellation grundsätzlich nicht für die Implementierung digitaler Health-Lösungen geeignet. Ein Einsatz ist damit nicht aussichtslos, aber ohne eine grundlegende Veränderung der Praxisführung extrem unwahrscheinlich.
Drei Entwicklungslinien
Vor diesem Hintergrund wird es drei Entwicklungslinien geben:
- Praxisteams, die bereits Best Practice-ausgerichtet arbeiten, werden kaum Implementierungs-Probleme haben und von Beginn an von den Effizienz- und Produktivitäts-Vorteilen profitieren, die gleichzeitig zu einer Erhöhung der Versorgungsqualität führen,
- Praxisbetriebe mit Praxismanagement-Problemen stehen vor der Wahl, diese umgehend zu beseitigen oder
- ihren Arbeitsrahmen unverändert zu lassen und so den Digitalisierungs-Nutzen für sich und ihre Praxisbesucher nicht erschließen zu können.
Welche Gründe hat die Praxismanagement-Insuffizienz (PMI)
Sind, wie bereits beschreiben, die von Praxisteams ausgewählten Regelungen des Praxismanagements nicht geeignet, den Praxisbetrieb so zu gestalten, dass er den Anforderungen des Arbeitsalltages gerecht wird und grundsätzlich reibungslos funktioniert, spricht man von Praxismanagement-Insuffizienz (PMI). Grund für ihr Auftreten ist, dass
- die Auswahl der getroffenen Vorkehrungen und realisierten Maßnahmen unvollständig und / oder falsch bzw.
- ihre Umsetzung unzureichend und / oder fehlerhaft ist.
Etwa 2/3 der deutschen Arztpraxen sind von der PMI in unterschiedlichen Ausmaßen und Ausprägungen betroffen. Diese große Anzahl resultiert aus der Tatsache, dass Haus- und Fachärzte im Durchschnitt 50% der für einen reibungslos funktionierende Praxisbetrieb notwendigen Vorkehrungen gar nicht einsetzen.
Wie es zu dieser Situation kommt, zeigen ebenfalls die Ergebnisse des IFABS Betriebsvergleich-Trackers© für haus-, fach- und zahnärztliches Praxismanagement:
Das Praxismanagement hat für Ärzte in seiner Bedeutung nur eine nachgeordnete Priorität
Bei Praxis-Neugründung, – Übernahme oder Kooperation werden Prozesse festgelegt, die dem akuten Handlungsrahmen entsprechen, in der Folge aber nie wieder auf Tragfähigkeit überprüft werden. Bei Problemen werden punktuell Hilfs-Routinen entwickelt, die mit der Zeit in die originäre Prozess-Gestaltung einfließen und ein fester Bestandteil werden, Effizienz und Produktivität dieser Lösungen und ihres Zusammenspiels mit der Basis-Organisation werden aber ebenfalls nie kontrolliert.
Ärzte sehen die Problemursachen für Arbeitsdruck, Stress etc. im Außenbereich ihrer Betriebe
Diese Tatsache wird ihnen seit Jahren medial mit steten Hinweisen auf steigende Patientenanforderungen und die Bürokratie so kommuniziert, doch die Durchleuchtung des Praxismanagements zeigt, dass die Probleme in den meisten Fällen aus den Praxen selbst kommen. Zudem sind von diesen Problemen alle Praxen gleichermaßen betroffen, doch die nach dem Best Practice-Standard arbeitenden beklagen sie nicht, da sie sie in ihren Prozessen adäquat berücksichtigen.
Ärzte nutzen die Hinweise ihrer Mitarbeiter nicht
In mehr als der Hälfte aller Praxisbetriebe existieren Ideen und Vorschläge der MFA, wie die Arbeit besser gestaltet werden könnte, doch gleichzeitig beklagt das Personal, dass die Praxisinhaber sich hierauf nicht einlassen.
Monokausales Denken
Ein grundlegendes Problem in Zusammenhang mit der PMI besteht darin, dass Ärzte überwiegend monokausal denken und versuchen, „die“ Fehlfunktion des Praxismanagements zu identifizieren. Praxisführung ist jedoch ein multifaktorielles Geschehen, das in seiner Gesamtheit untersucht werden muss, denn die Erfahrung zeigt, dass es nie „die eine“ Ursache gibt.