Ambulante Patienten-Versorgung der Zukunft: Nicht ohne betriebswirtschaftliches Wissen

Worum es geht

Niedergelassene Ärzte haben ein distantes bis ablehnendes Verhältnis zum Begriff „Betriebswirtschaft“. Vor allem Unwissen und Vorurteile sind hierfür verantwortlich. Doch durch diese Einstellung kommen wichtige Hilfsmittel, die die Patientenversorgung verbessern, mittelfristig die für die Transformation benötigte Flexibilität gewährleisten und langfristig den Praxiserfolg sichern können, nicht zum Einsatz. Doch diese Situation wird sich ändern.

Der größte Teil der Arbeiten in Arztpraxen ist betriebswirtschaftlicher Natur

  • „Betriebswirtschaft, das macht doch der Steuerberater!“
  • „Die Betreuung meiner Patienten lässt sich nicht in Kennziffern fassen!“
  • „Die Ökonomisierung schadet der Medizin!“
  • „Ich bin Mediziner und kein Unternehmer!“

Die meisten Praxisinhaber machen sich nicht bewusst, dass die Qualität der Patientenversorgung nicht nur durch ihre medizinischen Fähigkeiten bestimmt wird, sondern vor allem auch durch die Qualität des Praxismanagements, d. h. durch die Art des Transfers der diagnostischen und therapeutischen Leistungen an die Patienten.

Wie wichtig betriebswirtschaftliches Wissen ist, zeigt sich darüber hinaus heute, wenn es darum geht, den negativen Auswirkungen von Inflation und Kostensteigerung zu begegnen. Die meisten Praxisinhaber denken bei Gegenmaßnahmen primär an Kostensenkungen, doch die geeignete Strategie besteht in der Erhöhung von Effizienz, Effektivität und Produktivität. Wie groß die Reserven sind, zeigt eine mithilfe des IFABS Betriebsvergleich-Trackers© für haus-, fach- und zahnärztliches Praxismanagement ermittelte Größe:

Haus- und Fachärzte setzen in ihren Betrieben im Mittel etwa 47% des Best Practice-Standards der Praxisführung nicht um. Er beschreibt die Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen, die für eine auch unter wechselnden Anforderungen reibungslos funktionierende Arbeit notwendig sind.

Die Arbeit einer Arztpraxis ist betriebswirtschaftlich fundiert

Zwei Drittel der Arbeiten im „Dienstleistungsunternehmen Arztpraxis“ sind betriebswirtschaftlicher Natur und können durch zugehörige Methoden und Instrumente so gestaltet werden, dass eine weitgehend reibungslose Funktionalität entsteht (Best Practice-Standard). Hierzu zählen nicht nur Aktionsbereiche wie die Planung, einschließlich der Entwicklung einer Praxis-Strategie, sondern auch Markt- und Patientenforschung, Personalführung, Marketing, Organisation und Kommunikation hin zu Abrechnung und Controlling.

Der Arzt bestimmt die Richtung

Die hiermit verfolgten Ziele sind aber nicht genereller Natur, z. B. in Form eines Strebens nach Gewinnmaximierung, wie Ärzte es fälschlicherweise annehmen, sondern werden durch jeden Praxisinhaber individuell definiert. Es kann etwa darum gehen, das gegenwärtige Leistungsvolumen mit einem geringeren Aufwand zu erledigen. Im Wesen ist die Betriebswirtschaftslehre als Hilfestellung für die ärztliche Zielerreichung angelegt. Sie ist forderungs- sowie vorgabenfrei und stellt für die Tätigkeiten des einzelnen Unternehmens, z. B. für eine Arztpraxis, Tools zur Verfügung, die Ziele der Praxisinhaber qualitativ wie quantitativ möglichst optimal zu erfüllen. Das schließt auch Aspekte wie die Work-Life-Balance mit ein.

Kennzahlen – die MRT-Aufnahme des Praxismanagements

Ein solches Tool sind etwa Kennzahlen. Sie lösen das Problem, dass „das“ Praxismanagement ein Konglomerat aus vielen verschiedenen Aktionsbereichen ist, die eng miteinander verknüpft sind und sich zum großen Teil gegenseitig bedingen und beeinflussen. Nur wenn alle Bereiche wie feinjustierte Zahnräder ineinandergreifen, entsteht ein reibungsloser Praxisbetrieb. Kennzahlen wie die Key Performance Indikatoren (KPI) ermöglichen es,

  • die Vielschichtigkeit der Praxisführung durch Verdichtung auf Schlüssel-Orientierungsgrößen überschaubar und erfassbar zu machen,
  • ohne großen Aufwand den Ist-Zustand des Praxismanagements zu bestimmen und
  • gleichzeitig Stärken, aber eben auch Defizite und Risikofaktoren sowie ungenutzte Chancen und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.

Mit ihrer Hilfe lassen sich konkrete Zielparameter für die Praxisarbeit definieren und perspektivisch einfach, aber umfassend überwachen und steuern. Eine solche Kennziffer ist der eingangs bereits erwähnte Best Practice-Score (BPS) des Praxismanagements.

Weitere Beispiele für praktische betriebswirtschaftliche Helfer

Laufwege-Analyse

Ein anderes, sehr pragmatisch ausgerichtetes Tool zur Organisationsoptimierung ist die Laufwege-Analyse, denn die räumliche Anordnung der Anlaufstellen und die Koordination von Arbeiten bzw. der aus ihnen resultierenden Laufwege beeinflussen wesentlich die für die Patientenbetreuung zur Verfügung stehende Zeit.
So betrug in einer internistischen Praxis die Entfernung zwischen dem Materialraum und dem Behandlungszimmer 36 Meter. Aus der Anzahl der Gänge / MFA und der hierfür benötigten Zeit ergab sich, dass das Praxisteam pro Tag knapp zwei Stunden mit Laufzeit zwischen den beiden Praxispunkten verbrachte. Eine Verlegung des Materialraums direkt neben den Behandlungsbereich – eine entsprechende Option existierte -, setzte diese Zeit täglich für andere Arbeiten frei.

Nutzwert-Analyse

Situationen, in denen verschiedene Alternativen zur Auswahl stehen und gleichzeitig mehrere Kriterien für die Entscheidung relevant sind, sind das Einsatzfeld der Nutzwertanalyse, die auch unter den Bezeichnungen „Scoring-Modell“, „Utility Analyse“ oder Punktbewertungs-Verfahren bekannt ist.
Sie ermöglicht, auch komplexere Handlungsalternativen zu bewerten und mittels der persönlich relevanten Kriterien und Prioritäten systematisch die optimale Auswahlentscheidung zu treffen. Hierbei können sowohl quantitative als auch qualitative Auswahlgrößen verwendet werden, die individuell auf die eigene Umfeld- und Entscheidungssituation abstimmbar sind.

Die Break-Even-Analyse (Gewinnschwellen-Analyse)

Mithilfe dieser unaufwendig durchführbaren Untersuchung kann derjenige Punkt ermittelt werden – die sog. Gewinnschwelle oder den Break-Even-Punkt -, der bei einer Leistung oder einem Angebot – z. B. IGeL – die Verlust- von der Gewinnzone trennt. Die Gewinnschwellen-Analyse untersucht also, wann die Kosten durch die Erlöse gedeckt werden. An der Gewinnschwelle selbst gibt es folglich weder einen Gewinn noch einen Verlust, sie ist ein neutraler Punkt. Erst bei seiner Überschreitung wird ein Gewinn erwirtschaftet, bei Unterschreitung jedoch ein Verlust.

Die Benchmarking-Praxisanalyse

Sie ist ein seit vielen Jahren bewährtes System zur einfachen, schnellen und kostengünstigen, Benchmarking-basierten Standortbestimmung der betriebswirtschaftlichen Praxisarbeit.

Analysiert werden in einer 360-Grad-Sicht alle Regelungen und Instrumente des Praxismanagements in Form einer Arztbefragung: Von der Planung über die Organisation, Führung, Marketing- und IGeL-Arbeit, das Selbstmanagement bis zum Finanzmanagement, ergänzt die Ermittlung der Teamwork-Qualität und der Patientenzufriedenheit.

Das Einzigartige des Systems ist ein doppelter Vergleich der Praxisergebnisse:

  • zum einen werden die Praxisanalyse-Ergebnisse den Resultaten gegenübergestellt, die Praxisbetriebe der gleichen Fachgruppe durchschnittlich erreichen (Fachgruppen-Benchmarking),
  • zum anderen erfolgt ein Abgleich mit den Ergebnissen, die überdurchschnittlich erfolgreiche Praxisunternehmen aller Fachgruppen (Best-Practice-Benchmarking) charakterisieren.

Die Durchführung bietet dem Anwender gleich vierfachen Nutzen:

  • er erkennt, wo die eigene Praxis „steht“ (betriebswirtschaftliche Positionsbestimmung, qualitativer Betriebsvergleich)
  • er erfährt, inwieweit die Praxisarbeit geeignet ist, die Praxis-Strategie zielgerichtet umzusetzen und
  • ein „Optimeter“ identifiziert bislang ungenutzte Optimierungsansätze.

Mehr Informationen zu den Möglichkeiten des Praxismanagement-Betriebsvergleichs© für Haus- und Fachärzte…

Fazit

Digitalisierung, veränderte Patientenanforderungen und der generelle Wandel des Handlungsrahmens führen dazu, dass die Arbeit für niedergelassene Ärzte in den kommenden Jahren vielschichtiger und komplexer wird. Die Betriebswirtschaftslehre kann Praxisinhabern dabei unterstützen, mit ihren Betrieben diesen Wandel erfolgreich zu bestehen, sowohl im Hinblick auf die Betreuung ihrer Patienten als auch zur Erfüllung ihrer persönlichen Ziele.

©IFABS / Thill